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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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Riemen im Geäst schweben; die Kikuju hängten sie auf, damit die wilden Bienen darin nisten und Honig sammeln sollten. Einmal, als wir um ein Waldstück bogen, sahen wir einen Leoparden auf dem Wege sitzen, wie eingewoben in einen Teppich.
    Hier lebte, hoch überm Boden, das ruhelose, geschwätzige Volk der kleinen grauen Affen. Wo ein Affenrudel den Weg gekreuzt hatte, blieb der Geruch noch lange Zeit in der Luft haften, ein trockener, schaler Geruch nach Maus. Ritt man weiter, so hörte man plötzlich ein Rascheln und Schwirren über seinem Kopf, wo das Völkchen seines Weges vorüberzog. Hielt man sich still am gleichen Platz, so sah man nach einer Weile einen der Affen regungslos auf einem Baum hocken und entdeckte nicht lange danach, daß der ganze Wald ringsum von seiner Familie bevölkert war; wie Früchte saßen sie auf den Ästen, graue oder dunkle Gestalten, je nachdem wie die Sonne sie beschien, und ließen ihre langen Schwänze herabhängen. Sie stießen einen merkwürdigen Ton aus, einen schmatzenden Kuß mit nachfolgendem Hüsteln; wenn man ihn vom Boden her nachahmte, konnte man sehen, wie die Affen ihre Köpfe affektiert von einer Seite zur anderen wandten; sowie man jedoch eine hastige Bewegung machte, waren augenblicks alle weg, und man hörte nur noch das leiser werdende Klatschen der zurückschnellenden Baumwipfel, in denen sie verschwanden wie ein Schwarm von Fischen in den Wellen.
    Im Ngongwalde habe ich auf einem schmalen Pfad, der sich durch dichtes Gesträuch wand, mitten an einem sehr heißen Tag den Riesenwaldeber gesehen, einen selten anzutreffenden Gesellen. Er kam plötzlich mit seinem Weib und drei Ferkeln in großer Hast an mir vorbei; die ganze Familie sah aus wie nach einem Muster, größer und kleiner, aus dunklem Papier ausgeschnittene Figuren, die sich vom sonnenbeschienenen grünen Hintergrund abhoben. Es war ein prachtvoller Anblick, wie eine Spiegelung in einem Waldsee, wie etwas, was vor tausend Jahren geschehen war.
    Lulu war eine junge Antilope vom Stamme der Buschböcke, die wohl die hübschesten aller afrikanischen Antilopen sind. Sie sind ein wenig größer als Damhirsche, leben in den Wäldern oder im Busch und sind scheu und ängstlich, so daß man sie nicht so häufig sieht wie die Antilopen der Steppe. Aber die Ngongberge und das umliegende Land waren ein schönes Revier für Buschböcke, und wenn man sein Lager im Gebirge aufschlug und frühmorgens oder bei Sonnenuntergang jagen ging, sah man sie aus dem Gehölz auf die Lichtungen hinaustreten, und wenn die Sonne sie beschien, leuchtete ihre Decke rot wie Kupfer. Die Männchen tragen ein fein geringeltes Gehörn.
    Daß Lulu mein Hausgenosse wurde, geschah folgendermaßen:
    Ich fuhr eines Morgens von der Farm nach Nairobi. Meine Aufbereitung auf der Farm war kurze Zeit vorher abgebrannt, und ich mußte viele Male in die Stadt fahren, um die Versicherungssumme festsetzen und mir auszahlen zu lassen; so hatte ich an dem frühen Morgen nichts als Zahlen und Voranschläge im Kopf. Als ich die Ngongstraße entlangfuhr, rief mich eine kleine Schar von Kikujukindern vom Wegrande her an und hielt mir einen ganz kleinen Buschbock hin. Ich wußte, daß sie das Kitzlein vermutlich im Busch gefunden hatten und es mir nun zu verkaufen gedachten, aber ich mußte mich beeilen, eine Verabredung in Nairobi einzuhalten, und hatte keine Gedanken für derlei frei; so fuhr ich also weiter.
    Als ich abends zurückkehrte und wieder an der gleichen Stelle vorbeikam, gab es erneut ein großes Geschrei vom Straßenrand; die kleine Bande war immer noch da, recht müde und verdrossen, denn sie hatten den ganzen Tag versucht, das Kitzlein an andere Passanten zu verkaufen; um so mehr waren sie nun drauf aus, vor Sonnenuntergang das Geschäft noch zu machen, und hielten das Tierchen hoch in die Luft, um mich zu verlocken. Aber ich hatte einen langen Tag in der Stadt hinter mir und hatte mit der Versicherung Verdruß gehabt, so daß ich keine Lust verspürte, zu halten und zu schwatzen; ich fuhr an ihnen vorüber. Ich dachte auch nicht mehr an sie, als ich wieder zu Hause war, aß zu Abend und ging zu Bett.
    In dem Augenblick, als ich eingeschlafen war, erwachte ich wieder von einem heftigen Gefühl des Grauens. Das Bild der Buben mit dem Kitzlein, das sich inzwischen verdichtet und Gestalt gewonnen hatte, trat mir deutlich, als wäre es gemalt, vor Augen, und ich setzte mich im Bett auf, schaudernd, als hätte jemand versucht, mich zu erwürgen.

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