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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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Was würde wohl, dachte ich, aus dem Kitzlein werden in den Händen seiner Häscher, die einen ganzen heißen Tag lang mit ihm am Weg gestanden und es an seinen gefesselten Läufen hochgehoben hatten? Es war sicher zu jung, um selbst zu äsen. Ich war zweimal am selben Tag an ihm vorbeigefahren, wie der Priester und der Levit in einer Person, und hatte ihm keinen Gedanken zugewendet, und nun, in diesem Augenblick, wo war es nun? Ich stand in einer wahren Panik auf und weckte alle meine Hausboys. Ich sagte ihnen, das Kitzlein müsse gefunden und mir bis zum Morgen gebracht werden, sonst würden sie alle aus meinem Dienst entlassen. Sie waren sofort bei der Sache. Zwei von den Burschen waren am Tage mit mir im Wagen gefahren und hatten sich für die Kinder und das Kitzlein nicht im mindesten interessiert, jetzt drängten sie vor und erzählten den anderen eine lange Liste von Einzelheiten über die Örtlichkeit und die Zeit und die Familien der Buben. Es war eine mondhelle Nacht, meine Leute stoben alle davon und verteilten sich, lebhaft die Sachlage beratend, in der Landschaft; ich hörte, wie sie sich immer wieder darüber verbreiteten, daß sie alle entlassen würden, wenn der Buschbock nicht gefunden würde.
    In der Frühe des nächsten Morgens, als Farah mir meinen Tee hereinbrachte, kam Juma mit ihm herein und trug das Kitzlein auf seinem Arm. Es war ein Weibchen, und wir nannten es Lulu, was auf kisuaheli, wie sie mir sagten, Perle heißt.
    Lulu war damals noch nicht größer als eine Katze und hatte große, stille violettblaue Augen. Sie hatte so zarte Läufe, daß man fürchtete, sie würden es nicht überstehen, zusammen- und auseinandergefaltet zu werden, wenn sie sich hinlegte oder erhob. Ihre Ohren waren weich wie Seide und unsagbar ausdrucksvoll. Ihre kühle Nase war schwarz wie ein Trüffel. Ihre winzigen Hufe gaben ihr das Aussehen einer jungen chinesischen Dame alten Stils mit bandagierten Füßen. Es war ein seltsames Erlebnis, ein so vollkommenes Geschöpf in Händen zu haben.
    Lulu gewöhnte sich bald an das Haus und seine Bewohner und benahm sich, als sei sie daheim. In den ersten Wochen waren die polierten Fußböden in den Zimmern ein Problem in ihrem Leben, und sowie sie übern Rand der Teppiche geriet, rutschten ihre Beine nach allen vier Richtungen davon; es sah beängstigend aus, aber sie machte sich nicht allzuviel draus, und schließlich lernte sie, auf den Fußböden zu laufen; es klang, als ob jemand immerfort ärgerlich mit den Fingern trommelte. Sie war äußerst sauber in all ihren Gewohnheiten. Schon als Kind war sie eigensinnig, aber wenn ich ihr etwas verwies, was sie gern getan hätte, war es, als wollte sie sagen: »Nur ja keine Szene, bitte.«
    Kamante zog sie mit der Milchflasche auf und sperrte sie abends ein, denn wir mußten uns in acht nehmen mit ihr, nach Einbruch der Dunkelheit strichen die Leoparden ums Haus. So hielt sie sich an ihn und folgte ihm überallhin. Von Zeit zu Zeit, wenn er nicht tat, was sie wollte, versetzte sie seinen hageren Beinen einen harten Puff mit ihrem jungen Kopf; sie war so anmutig, daß man unwillkürlich, wenn man die beiden zusammen sah, an eine neue paradoxe Illustration zu der Sage von der schönen Jungfrau und dem häßlichen Untier denken mußte. Kraft dieser großen Schönheit und Lieblichkeit eroberte sich Lulu eine überragende Stellung im Hause und wurde von jedermann mit Respekt behandelt.
    In Afrika habe ich nie eine andere Rasse Hunde gezüchtet als schottische Windhunde. Es gibt keinen Hund, der edler und anmutiger wäre. Sie müssen wohl viele Jahrhunderte mit Menschen gelebt haben, um sie so zu verstehen und sich ihnen so anzupassen. Man sieht sie auch auf alten Gemälden und Geweben, und sie haben selbst etwas in ihrem Aussehen und ihrem Gehaben, was ihrer Umgebung das Gepräge eines Gobelins gibt; sie erzeugen eine aristokratische Atmosphäre. Der erste des Geschlechts meiner Windhunde, namens Dusk, war mir zur Hochzeit geschenkt worden und hatte mich begleitet, als ich mein Leben in Afrika begann, auf meiner »Mayflower« -Fahrt, sozusagen. Er hatte einen ritterlichen, vornehmen Charakter. Er war bei mir in den ersten Monaten des Krieges, als ich mit meinen Ochsenwagen für die Regierung die Transporte im Massaireservat besorgte. Aber einige Jahre später wurde er von einem Zebra getötet. Zu der Zeit, als Lulu zu uns ins Haus kam, hatte ich zwei seiner Söhne bei mir.
    Die schottischen Windhunde, die afrikanische Landschaft

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