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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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geöffnet wird und der Inhalt sich am Boden ausbreitet. Glatt wie Seide, ein entbildeter Stoff, der Schwere beraubt und unverderblich liegt sie da, die dunkle, kleine geläuterte Mumie des Waldes. Auch das Drumherum der Kohlenbrennerkunst hat einen großen Reiz. Da wir nur das Unterholz schlugen – denn dicke Stämme kann man nicht zu Holzkohle brennen –, arbeiteten wir immer unter den hohen Kronen der Bäume. Im windstillen Schatten des afrikanischen Waldes duftete das geschlagene Holz nach Stachelbeeren, und der beizende, reine, kräftige säuerliche Geruch des glühenden Meilers war erfrischend wie eine Meeresbrise. Der ganze Platz hatte etwas von einem Bühnenbild, was unterm Äquator, wo es kein Theater gibt, besonders reizvoll war. In regelmäßigen Abständen stiegen die Rauchsäulchen aus den Meilern, und die dunklen Meiler selbst sahen aus wie Zelte auf der Bühne, wie ein Lager von Schmugglern oder Soldaten in einer romantischen Oper. Zwischen ihnen regten sich geräuschlos die dunklen Gestalten der Schwarzen. Wo in einem afrikanischen Wald das Unterholz gelichtet ist, sammeln sich viele Schmetterlinge und lassen sich scharenweise auf den Stümpfen nieder. Alles war geheimnisvoll und unberührt. Die kleine, krumme Figur des alten Knudsen paßte vortrefflich in die Umgebung, er tappte hierhin und dorthin, rot im Gesicht, frisch belebt von der neugewonnenen Lieblingstätigkeit, schimpfend und antreibend wie ein Puck, der alt und blind und sehr bösartig geworden war. Er nahm seine Arbeit gewissenhaft und war staunenswert geduldig mit seinen schwarzen Lehrlingen. Wir waren nicht immer einig. In Paris, wo ich als Mädchen eine Malschule besuchte, hatte ich gelernt, daß Olivenholz die beste Holzkohle gäbe, aber Knudsen erklärte, die Olive bilde keine Knorren, und – siebentausend Teufel der Hölle – jeder Mensch wisse doch, daß die Hitze des Holzes in den Knorren stecke.
    Ein besonderer Umstand vermochte hier im Walde Knudsens wilde Leidenschaft zu sänftigen. Die afrikanischen Bäume haben ein zartes Laub von meist fingerigen Blättern, und wenn man das dichte Unterholz wegschlägt, den Wald gewissermaßen aushöhlt, dann fällt das Licht herein wie daheim in einem Buchenwald im Mai, wenn die Blätter sich eben entfalten oder kaum erst entfaltet haben. Ich sprach zu Knudsen von dieser Ähnlichkeit, und der Gedanke entzückte ihn, denn in der ganzen Zeit unserer Kohlenbrennerei hatte er eine Vorstellung, die er umspielte und sich ausmalte: daß wir auf einem Pfingstpicknick in Dänemark seien. Einen alten hohlen Baum hatte er nach einem Lustort bei Kopenhagen Lottenburg getauft. Als ich einmal in der Tiefe Lottenburgs ein paar Flaschen dänischen Biers versteckte und ihn zu einem Trank einlud, ließ er sich herab, das für einen sehr guten Witz zu erklären.
    Wenn alle unsere Meiler in Glut waren, setzten wir uns zusammen und plauderten vom Leben. Ich erfuhr viel von Knudsens Vergangenheit und den seltsamen Abenteuern, die er auf seinen mancherlei Wanderungen bestanden hatte. Es war bei diesen Unterhaltungen unvermeidlich, vom alten Knudsen zu reden, sonst wäre man in dem Pessimismus versunken, vor dem er einen selber warnte. Er hatte viel erlebt: Schiffbrüche, die Pest, Fische von unbekannter Farbe, Wasserhosen, Meeresstimmen, drei Sonnen zugleich am Himmel, falsche Freunde, schwärzeste Gemeinheit, kurze Erfolge mit Strömen von Gold, die alsbald wieder vertrockneten. Ein Grundton ging durch seine ganze Odyssee: die Verachtung des Gesetzes und all seiner Werke und Taten. Er war der geborene Aufrührer, er sah einen Freund in jedem Verbrecher, und Heldentat hieß für ihn nur eine Tat der Gesetzesverachtung. Er sprach gern von Königen und fürstlichen Familien, von Gaunern, Krüppeln und Irren – denn sie standen für ihn außerhalb des Gesetzes – und von allen Verbrechen und Revolutionen, von allen Tücken und Hieben, die dem Gesetz ins Gesicht schlugen. Für den guten Bürger dagegen hegte er eine grimmige Verachtung, und Gesetzeserfüllung bei einem Manne galt ihm als Zeichen sklavischer Gesinnung. Er achtete nicht einmal – ja, er glaubte nicht einmal an das Gesetz der Schwere; ich habe das erlebt, als wir miteinander Bäume fällten: er sah nicht ein, warum es von freidenkenden, tatkräftigen Menschen nicht ins Gegenteil umgekehrt werden konnte.
    Knudsen tat sein möglichstes, mir die Namen der Menschen, die er gekannt hatte, einzuprägen, besonders die der Schwindler und Schufte. Aber

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