Jenseits von Afrika
der Heiligen Familie. Die Patres waren sehr stolz auf ihre Kirchenfenster, auf denen in farbigem Papier Glasmalereien nachgeahmt waren. Sie stellten das Leiden Christi dar. Die junge Kusine stand sinnend und hingerissen vor den Fenstern, rang ihre Hände und beugte die Knie, als sänke sie selbst unter der Last des Kreuzes nieder. Auf dem Heimweg sprachen sie wenig, sie fürchteten wohl, durch Fragen, die sie taten, ihre Unwissenheit zu verraten. Erst nach einigen Tagen fragten sie mich, ob die Patres machen könnten, daß die Jungfrau oder der heilige Joseph von ihren Sockeln herabkämen.
Die junge Kusine wurde auf der Farm verheiratet in einem kleinen Bungalow, der damals leer stand und den ich den Somali zu diesem Zweck zur Verfügung stellte. Die Hochzeit war ein prächtiges Fest und dauerte sieben Tage. Ich war bei der Hauptfeier zugegen, als eine Prozession von singenden Frauen die Braut geleitete, einer Prozession von Männern entgegen, die den Bräutigam singend heranführte. Sie hatte ihn noch nie gesehen, und ich kann nicht sagen, ob sie ihn unter dem Bilde des Christus von Thorwaldsen sah oder ob sie zwei Ideale, eine himmlische und eine irdische Liebe, im Herzen tragen mochte wie ein Fräulein im Ritterroman. Während der Woche fuhr ich noch mehrmals hinüber. Wann ich auch kam, fand ich das Haus erfüllt von festlichem Treiben und duftendem Hochzeitsweihrauch. Schwerttänze und feierliche Tänze der Frauen lösten sich ab, unter den alten Männern wurden große Geschäfte in Vieh getätigt, Schüsse knatterten, und Maultierkutschen kamen von der Stadt und fuhren davon. Nachts sah man im Schein der Windlichter von der Veranda die lieblichsten Farben von Arabien und Somaliland aus Wagen und Türen wogen: Karmoisin, Pflaumenblau, Sudanbraun, Bengalischrosa und Saffranin.
Farahs Sohn wurde auf der Farm geboren. Ahamed hieß er und wurde Saufe genannt, was, glaube ich, Säge bedeutet. In seiner Seele war nichts von der Zaghaftigkeit der Kikujukinder. Als er noch ein winziges Kerlchen war, festgewickelt wie eine Eichel in ihrem Näpfchen, fast körperlos, ganz dunkler runder Kopf, saß er schon aufrecht da und sah einem grad ins Gesicht: es war, als hielte man einen kleinen Falken auf der Hand, ein Löwenjunges auf dem Schoß. Er hatte das fröhliche Gemüt seiner Mutter geerbt, und als er laufen konnte, wurde er ein recht unbändiger Abenteurer, der die ganze schwarze Kinderwelt der Farm herumkommandierte.
Der alte Knudsen
Zuweilen sind europäische Gäste auf der Farm gestrandet, wie Treibholz, das im stillen Wasser sich dreht und rollt und schließlich angespült wird und vermorscht und zergeht. Der alte Knudsen, der Däne, kam krank und nahezu blind auf die Farm und blieb so lange, als er zum Sterben brauchte, wie ein vereinsamtes Tier. Er tappte, in sein Elend vergraben, rastlos umher, oft lange Zeit keines Wortes fä hig; denn die Mühsal des Tragens hatte seine Kraft aufgezehrt; fand er die Sprache wieder, so war seine Stimme wie die Stimme des Wolfes oder der Hyäne, nur eine heulende Klage.
Wenn er wieder Kraft schöpfte und eine Weile lang ohne Schmerzen war, dann sprühten aus der schwelenden Glut noch einmal Funken wie einst. Dann kam er zu mir und berichtete, wie er gegen seine schwächliche, melancholische Veranlagung zu kämpfen habe, gegen eine sinnlose Neigung zur Schwarzseherei. Die müsse man sich ausreden, denn die äußeren Umstände, die seien’s ja nicht, die seien ja – der Teufel solle ihn holen – gar nicht schuld! Nur der Pessimismus, der Pessimismus, der sei ein abscheuliches Laster.
Knudsen riet mir in einer Zeit, als wir auf der Farm mehr als gewöhnlich in der Klemme saßen, Holzkohle zu brennen und sie an die Inder in Nairobi zu verkaufen. Tausende von Rupien seien da zu holen, beteuerte er, und unter der Führung des alten Knudsen könne die Sache nicht fehlgehen, denn er sei in einer Epoche seines sturmbewegten Lebens im höchsten Norden von Schweden gewesen und habe die Kunst dort aus dem Effeff gelernt. Er übernahm es, die Schwarzen anzulernen. Damals, als wir miteinander im Walde arbeiteten, habe ich viele Gespräche mit Knudsen geführt.
Holzkohle brennen ist eine nette Arbeit. Sie hat etwas Anregendes. Kohlenbrenner sehen bekanntlich die Welt in einem anderen Licht als andere Menschen, sie neigen zu Poesie und zu allerlei Hokuspokus, Waldschrate kommen zu ihnen zu Besuch. Schön ist es, die Holzkohle zutage zu fördern, wenn der Meiler ausgebrannt ist und
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