Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
Vom Netzwerk:
hatte sie für unterwegs zum Naschen mitgenommen, denn es war ja der Neujahrstag. Wir setzten uns aufs kurze Gras und aßen und tranken. Die toten Löwen neben uns waren wunderbar anzuschauen in ihrer Nacktheit, keine Spur von überflüssigem Fett war an ihnen, jeder Muskel eine kühn geschwungene Kurve, sie bedurften keiner Hülle, sie waren durch und durch, was sie sein sollten.
    Als wir so saßen, huschte ein Schatten über das Gras und über meine Füße, und aufschauend erblickte ich hoch im hellen Blau des Himmels kreisende Geier. Mein Herz war so beschwingt, daß mir war, ich ließe sie da oben fliegen, wie man an einer Schnur einen Drachen steigen läßt. Ich machte ein Gedicht:
     
    »Des Adlers Schatten eilt über die Steppe
    zu den fernen, namenlosen, luftigblauen Bergen.
    Aber der Schatten der kleinen rundlichen Zebras
    liegt tagsüber zwischen ihren zarten Hufen
    – wartet auf den Abend, hofft, sich aufzustrecken, bläulich auf der Steppe, die wie Ziegel rot die Sonne malt –
    sehnt sich nach dem Wassertümpel.«
     
    Denys und ich hatten noch ein anderes dramatisches Erlebnis mit Löwen. Genau gesagt, lag es schon weiter zurück und gehörte in die Anfangszeit unserer Freundschaft. Eines Morgens, in der Frühjahrsregenzeit, kam mein Verwalter, Belknap, ein Südafrikaner, in heller Wut gelaufen und berichtete, zwei Löwen seien nachts auf der Farm gewesen und hätten zwei von unseren Ochsen geschlagen. Sie waren durch den Zaun der Rinderhürde eingebrochen, hatten die toten Ochsen in die Kaffeepflanzung hinausgezerrt und einen von ihnen dort aufgefressen, der andere lag zwischen Kaffeebäumen. Ich möchte ihm doch ein Schreiben mitgeben, damit er in Nairobi Strychnin kaufen könne. Er wolle es gleich in den Kadaver tun, da er überzeugt sei, daß die Löwen abends wiederkommen würden.
    Ich überlegte den Fall. Es ging gegen mein Gefühl, Löwen mit Strychnin zu vergiften, und ich sagte ihm, ich sei dazu nicht imstande. Da wandelte sich seine Wut in Verzweiflung. Ließe man den Löwen diesen Raub ungestraft durchgehen, dann würden sie wiederkommen. Die Ochsen, die sie umgebracht hätten, seien unsere besten Arbeitstiere, wir könnten es. uns nicht leisten, noch mehrere einzubüßen. Der Stall meiner Reitpferde, gab er zu bedenken, liege nicht weitab von der Ochsenhürde, ob ich das erwogen hätte? Ich erklärte ihm, es sei nicht meine Absicht, die Löwen auf der Farm gewähren zu lassen, ich sei nur der Ansicht, daß man sie schießen und nicht vergiften sollte.
    »Und wer soll sie schießen?« fragte Belknap. »Ich bin kein Feigling, aber ich bin ein verheirateter Mann und habe keine Lust, mein Leben zwecklos aufs Spiel zu setzen.« Es stimmte, ein Feigling war er nicht, er war ein schneidiger kleiner Kerl.
    »Das hat doch gar keinen Sinn«, behauptete er. Ich erklärte ihm, ich hätte nicht gemeint, er solle die Löwen schießen. Aber Herr Finch-Hatton sei den Abend zuvor angekommen, wir beide würden es machen. »Oh, das ist was anderes«, sagte Belknap.
    Ich ging ins Haus zu Denys. »Komm«, sagte ich zu ihm, »und laß uns unser Leben zwecklos aufs Spiel setzen. Denn wenn es überhaupt einen Wert hat, dann nur den einzigen, daß es keinen hat. ›Frei lebt, wer sterben kann.‹ { * }
    Wir gingen hinunter und fanden den toten Ochsen in der Kaffeepflanzung, wie Belknap mir’s beschrieben hatte. Er war von den Löwen kaum berührt. Ihre Spuren waren tief und deutlich in den weichen Boden eingedrückt; zwei große Löwen hatten hier nachts ihr Wesen getrieben. Es war nicht schwer, die Spur durch die Plantage zu verfolgen, sie führte zum Walde hinauf, um Belknaps Haus herum; aber bis wir dahin kamen, regnete es so heftig, daß man kaum noch etwas sehen konnte, und im Gras und Strauchwerk am Waldrand verloren wir die Fährte. »Was meinst du, Denys«, fragte ich, »werden sie heute abend wiederkommen?« Denys hatte viel Erfahrung mit Löwen. Er sagte, sie würden am frühen Abend kommen, um ihre Mahlzeit zu beenden, wir sollten ihnen dabei Zeit lassen und gegen neun Uhr aufs Feld gehen. Einer von uns würde die elektrische Blendlaterne, ein Stück seiner Safariausrüstung, tragen müssen, um dem Schützen zu leuchten; er stellte es mir frei, die Rolle zu wählen; mir war es lieber, wenn er schoß, ich wollte die Blendlaterne nehmen.
    Um den Weg bis zum Ochsenkadaver im Dunkeln zu finden, schnitten wir uns Papierstreifen und hefteten sie an die beiden Baumreihen, zwischen denen wir anschleichen

Weitere Kostenlose Bücher