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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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Länder auf der abgewandten Seite des Mondes gesehen. Zuweilen fliegt man so nahe am Boden, daß man die Tiere auf der Steppe sieht und über ihnen schwebt, wie Gott, als er sie eben erschaffen hatte, ehe er Adam auftrug, ihnen Namen zu geben.
    Aber nicht, was man sieht, sondern, was man tut, ist das Beglückende; die Wonne und das Entzücken des Fliegens ist das Fliegen selbst. Es ist eine trübe Not und Sklaverei, die die Menschen in den Städten erdulden, daß sie bei all ihren Bewegungen nur eine Dimension kennen, sie gehen einen Strich entlang, als wären sie auf einem Faden aufgezogen. Der Übertritt aus der Linie in die Fläche beim Wandem über Felder oder durch den Wald ist für die Sklaven eine herrliche Befreiung wie die Französische Revolution. In der Luft aber genießt man die volle Freiheit aller drei Dimensionen, nach Jahrhunderten der Verbannung und der Träume stürzt sich das sehnende Herz in die offenen Arme des Raumes. Die Gesetze der Schwere und der Zeit – beim Spiel im grünen Hain des Lebens wußten wir wie zahme Tiere nichts von ihrer Süßigkeit.
    Jedesmal, wenn ich in einem Flugzeug aufstieg und hinabschauend merkte, daß ich vom Boden frei war, trat es mir ins Bewußtsein wie eine große neue Entdeckung: »Ich begreife«, sagte ich mir, »so war’s gemeint, jetzt verstehe ich alles.«
    Eines Tages flogen Denys und ich zum Natronsee; er liegt neunzig Meilen südwestlich von der Farm und über zwölfhundert Meter tiefer, achthundert über dem Meere. Am Natronsee wird Soda gewonnen. Der Grund des Sees und seine Ufer scheinen aus einer Art weißlicher Zementmasse zu bestehen, die stark säuerlich und salzig riecht.
    Der Himmel war blau, aber als wir von der Hochebene hinausflogen über das steinige, kahle Tiefland, waren alle Farben darin wie ausgebrannt. Die ganze Landschaft unter uns sah aus wie feingezeichnetes Schildpatt. Mitten darin lag plötzlich der See. Der weiß durchschimmernde Grund verleiht dem Wasser, von oben gesehen, eine unwahrscheinlich blendende, azurne Bläue, vor deren Glanz man einen Augenblick die Augen schließen muß. Die Wasserfläche ruht in dem kahlen, braungelben Landstrich wie ein großer, strahlender Aquamarin. Wir waren hoch geflogen, nun glitten wir hinab, und als wir uns herabsenkten, schwamm unser eigener Schatten dunkelblau unter uns auf dem hellblauen See. Tausende von Flamingos leben hier, obwohl ich nicht begreife, wovon sie sich in dem Brackwasser nähren. Denn es gibt sicher keine Fische darin. Als wir näher kamen, wichen sie in weiten Bögen und Flächen auseinander wie Strahlen der untergehenden Sonne, wie ein kunstreiches chinesisches Muster auf Seide oder Porzellan, das sich vor unseren Augen bildete und wandelte.
    Wir landeten auf dem weißen Ufer, das glühend war wie ein Ofen, und frühstückten dort, vor der Sonne geschützt, unter einem der Flügel der Maschine. Wenn man seine Hand aus dem Schatten hervorstreckte, war die Sonne so heiß, daß es einem weh tat. Unser Bier, das angenehm gekühlt war, als wir es direkt aus dem Äther herunterbrachten, war, noch ehe wir’s ausgetrunken hatten, nach einer Viertelstunde so heiß wie eine Tasse Tee.
    Während wir frühstückten, erschien am Horizont eine Gruppe von Massaikriegern, die rasch näher kam. Sie hatten wohl von weitem die Landung des Flugzeugs beobachtet und beschlossen, es sich näher anzusehen. Ein Marsch von beliebiger Länge ist für einen Massai, sogar in einer solchen Gegend, keine Beschwerde. Sie kamen im Gänsemarsch heran, nackt, groß und schlank mit blitzenden Waffen, schwarz wie Torf auf dem graugelben Sand. Zu ihren Füßen lagen und wanderten mit ihnen kleine Flecken, Schatten; das waren außer unseren eigenen, so weit das Auge reichte, die einzigen Schatten in der ganzen Gegend. Als sie in unsere Nähe kamen, marschierten sie in Reihe auf; es waren ihrer fünf. Sie steckten die Köpfe zusammen und besprachen sich über die Maschine und über uns. Eine Generation früher wäre die Begegnung für uns verhängnisvoll gewesen. Nach einer Weile trat einer von ihnen vor und sprach uns an. Da sie nur Massai sprechen konnten und wir nur wenig von der Sprache verstanden, flaute die Unterhaltung bald ab, er wandte sich wieder zu seinen Kameraden, und nach einigen Minuten drehten sie uns alle den Rücken zu und zogen im Gänsemarsch wieder ab, vor sich die weite glühende Salzebene.
    »Hättest du Lust«, fragte Denys, »nach Naivascha zu fliegen? Das zwischenliegende Land ist

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