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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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wollten, so wie Hänsel und Gretel sich ihren Weg mit weißen Steinchen bezeichneten. Er führte uns geradewegs auf den Köder zu. Am Ende, zwanzig Schritt vom Kadaver, banden wir ein großes Stück Papier an den Baum; hier wollten wir halten, das Licht einschalten und schießen. Spätnachmittags, als wir die Blendlaterne hervorholten, um sie zu versuchen, stellte sich heraus, daß die Batterien abgebraucht waren und der Lichtkegel recht schwach war. Wir hatten keine Zeit mehr, in Nairobi Ersatz zu holen, und mußten uns also behelfen, so gut es ging.
    Es war der Vorabend von Denys’ Geburtstag, und beim Abendbrot befiel ihn eine trübe Stimmung, er erging sich in Betrachtungen, er habe das Leben noch nicht ausgekostet. Aber irgend etwas, tröstete ich ihn, werde er bis zu seinem Geburtstagsmorgen doch sicher erleben. Ich ließ Juma eine Flasche Wein holen: er solle uns damit erwarten, wenn wir zurückkehrten. Immerfort dachte ich an die Löwen, wo sie wohl in dem Augenblick sein mochten, ob sie langsam, lautlos, einer hinter dem anderen über den Fluß wechselten, Brust und Flanken von der weichen, kühlen Flut umspült? Um neun Uhr brachen wir auf
    Es regnete ein wenig, aber der Mond stand am Himmel und steckte zuweilen sein fahles weißes Gesicht hoch oben durch ungezählte Schleier dünner Wolken; dann warf die weißblühende Kaffeepflanzung den Schein matt zurück. Wir gingen von weitem an der Schule vorbei, sie war hell erleuchtet. Eine Welle von Stolz und Freude an meinen Leuten durchflutete mich bei diesem Anblick; ich fühlte wie König Salomo, wenn er sagt: »Der Zaghafte spricht: ein Löwe lauert am Wege, ein Löwe geht um auf den Straßen.« Hier waren zwei Löwen dicht vor ihrer Tür, aber meine Schulkinder waren nicht zaghaft und ließen sich nicht von ihrer Schule verscheuchen. Wir fanden unsere zwei markierten Baumreihen, hielten eine Weile inne und schritten hintereinander zwischen sie hinein. Wir trugen Mokassins und gingen lautlos. Ich begann vor Erregung zu zittern und zu beben und wagte mich nicht zu nah an Denys heran, aus Furcht, er möchte es merken und mich fortschicken; ebensowenig wagte ich, zu weit hinter ihm zurückzubleiben, denn er konnte jeden Augenblick meine Blendlaterne brauchen.
    Die Löwen waren, wie wir später feststellten, bei ihrer Beute gewesen. Als sie uns hörten oder witterten, wichen sie ein Stück weit in die Kaffeepflanzung zurück, um uns vorüberzulassen. Wahrscheinlich fanden sie, daß wir zu lange brauchten, denn der eine von ihnen ließ ein ganz leises, heiseres Grollen vernehmen; es kam von rechts vorn. Es war so leise, daß wir nicht einmal sicher waren, ob wir etwas gehört hatten. Denys blieb einen Augenblick stehen; ohne sich umzuwenden, fragte er: »Hast du gehört?« – »Ja«, sagte ich. Wir gingen noch ein Stück weiter, und das tiefe Grollen ertönte noch einmal, diesmal genau zu unserer Rechten. »Licht an«, sagte Denys. Das war nicht ganz einfach, denn er war viel größer als ich, und ich mußte ihm über die Schulter aufs Gewehr und geradeaus nach vorn leuchten. Als ich die Blendlaterne einschaltete, verwandelte sich die ganze Welt in eine blendend erhellte Bühne, die nassen Blätter der Kaffeebäume blinkten, die Schollen am Boden traten überdeutlich hervor.
    Der Lichtkegel traf zuerst einen kleinen glotzenden Schakal, nicht größer als ein Fuchs, ich rückte ihn weiter, und da war der Löwe. Er stand uns genau gegenüber und ragte leuchtend hell vor der tiefen Schwärze der afrikanischen Nacht auf. Als der Schuß fiel, dicht vor meinem Ohr, war ich nicht auf ihn gefaßt, ich begriff gar nicht, was er bedeutete, er hätte ein Donnerschlag sein können, mir war, als wäre ich selbst an die Stelle des Löwen versetzt worden. Er fiel um wie ein Stein. »Weiter, weiter«, rief mir Denys zu. Ich wendete die Laterne weiter, aber meine Hand bebte so heftig, daß der Lichtkegel, der die sichtbare Welt in sich faßte und den ich befehligte, einen Tanz tanzte. Ich hörte Denys neben mir im Dunkeln lachen. »Die Beleuchtung beim zweiten Löwen war leicht schwankend«, bemerkte er später. Im Mittelpunkt des tanzenden Kegels stand der zweite Löwe, er wandte sich von uns weg, halb hinter einem Kaffeebaum verborgen. Als ihn das Licht traf, drehte er den Kopf um, und Denys schoß. Er fiel aus dem Hellen hinaus, erhob sich und geriet wieder hinein, er wandte sich mit einem Satz gegen uns und stieß, gerade als der zweite Schuß fiel, ein langes wütendes

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