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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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eine stickige Welle Verwesungsgestank. Kamithia, Denys’ Boy, der im Hintersitz des Kastenwagens saß, berührte leicht meine Schulter und wies nach rechts. Seitab der Straße, zwölf oder fünfzehn Schritt entfernt, war ein dunkler Klumpen, wie eine Seekuh, die sich auf dem Sande flezte, und obendrauf hockte etwas und regte sich im dunklen Wasser. Der Klumpen war, wie ich nachher sah, ein großer toter Giraffenbulle, der vor zwei oder drei Tagen geschossen worden war. Es ist nicht erlaubt, Giraffen zu schießen, und Denys und ich hatten uns später gegen den Vorwurf zu wehren, daß wir ihn geschossen hätten; wir konnten aber nachweisen, daß er schon längere Zeit tot war, als wir ihn fanden, und es kam nie heraus, wer ihn getötet hatte. An dem riesigen Aas der Giraffe hielt eine Löwin ihr Mahl und hob Kopf und Schulter über sie hinweg, um nach dem vorbeifahrenden Auto zu spähen. Denys hielt an, und Kamithia löste das Gewehr, das er trug, von der Schulter. Denys fragte mit leiser Stimme: »Darf ich sie schießen?«, denn er betrachtete aus Ritterlichkeit die Ngongberge als mein privates Jagdrevier. Wir passierten eben das Gebiet der Massai, die mich aufgesucht und über den Verlust ihrer Rinder geklagt hatten; war das der Räuber, der ihnen eine Kuh und ein Kalb nach dem andern zerrissen hatte, dann war es Zeit, mit ihm ein Ende zu machen. Ich nickte.
    Er sprang vom Wagen und schlich einige Schritte zurück; im selben Augenblick tauchte die Löwin hinter den Giraffenleib, er lief um die Giraffe herum auf Schußweite heran und feuerte. Ich sah die Löwin nicht fallen; als ich ausstieg und herzukam, lag sie tot in einer großen schwarzen Lache.
    Wir hatten keine Zeit, sie abzubalgen, wir mußten eilen, wenn wir die Jagdgesellschaft in Narok abfangen wollten. Wir schauten uns um und merkten uns die Stelle, der Gestank der Giraffe war so stark, daß wir sie kaum verfehlen konnten.
    Aber als wir noch zwei Meilen gefahren waren, hörte die Straße auf. Das Werkzeug der Straßenarbeiter lag herum, drüben dehnte sich weithin im grauen Frühlicht das steinige Land, unberührt von jeder Menschenhand. Wir blickten auf die Picken und über das Land hin: wir mußten Denys’ Freund mit dem Gewehr seinem Schicksal überlassen. Später, als er zurückkam, erzählte er uns, daß er gar nicht dazu gekommen war, es zu gebrauchen. Wir drehten also wieder um und hatten nun den Osthimmel vor uns, der sich über der Steppe und den Bergen rötete. Wir fuhren auf ihn zu und sprachen immerfort von der Löwin.
    Die Giraffe kam in Sicht, und diesmal konnten wir sie genau erkennen und, wo das Licht sie seitlich traf, die dunkleren Flecken auf ihrem Fell unterscheiden. Als wir näher herankamen, sahen wir, daß auf ihr ein Löwe stand. Unser Weg lag von dieser Seite aus etwas tiefer als der Giraffenleib, der Löwe ragte dunkel darüber auf, hinter ihm der Himmel war eine lodernde Glut. So stand er da, ein lebendiges Wappenschild: Löwe auf Goldgrund. Eine Strähne seiner Mähne hob der Wind. Ich sprang im Wagen auf, so gewaltig war der Eindruck, und Denys sagte: »Diesmal schießt du.« Ich schoß nicht gern mit seinem Gewehr; es war zu lang und schwer für mich und hatte einen starken Rückschlag, aber hier war der Schuß ein Liebesbote, mußte da das Gewehr nicht vom stärksten Kaliber sein? Als ich schoß, schien mir’s, als schnellte der Löwe in die Höhe und käme mit angezogenen Pranken wieder zu Boden. Ich stand keuchend im Grase, ergriffen von der Allmacht, die einem ein Schuß verleiht, der ein Wirken in die Ferne ist. Ich ging um den Leib der Giraffe herum. Vor mir lag das Schlußbild einer Tragödie. Da lagen sie nun alle tot. Die Giraffe sah unmäßig groß aus, unheimlich mit ihren vier steifen Beinen und ihrem langen steifen Hals, den Bauch von der Löwin zerfetzt. Die Löwin lag auf dem Rücken, das Gesicht zu gehässigem Fauchen verzerrt, sie war die femme fatale der Tragödie. Der Löwe war nicht weit von ihr hingestreckt – wie war es möglich, daß ihr Schicksal ihn nicht gewarnt hatte? Sein Kopf ruhte auf den zwei Vorderpfoten, die mächtige Mähne legte sich wie ein Königsmantel darüber; auch er lag in einer großen Lache, und das morgendliche Licht war jetzt so hell, daß sie scharlachrot schimmerte.
    Denys und Kamithia krempelten ihre Ärmel auf und balgten die Löwen ab, indes die Sonne aufging. Als sie eine Ruhepause machten, holten wir uns eine Flasche Rotwein und Rosinen und Mandeln aus dem Wagen; ich

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