Jenseits von Afrika
hinterher vorkommen?«
Ich sagte ihm schweren Herzens Lebewohl. Auf der Heimfahrt, als das Schiff Lamu und Takaunga passierte, wo unsere Dau ihren Kurs hätte steuern sollen, dachte ich an ihn. Aber in Paris erfuhr ich, daß er gestorben sei. Er war vor seinem Hause beim Aussteigen aus dem Auto tot hingefallen. Er wurde auf seiner Farm beerdigt, wie er es gewünscht hatte.
Als Berkeley starb, veränderte sich das ganze Land. Seine Freunde spürten es sofort mit tiefer Bekümmernis, und viele Menschen haben es später bemerkt. Ein Abschnitt in der Geschichte der Kolonie ging mit ihm zu Ende. Mit der Zeit fing man an, die Ereignisse nach diesem Wendepunkt zu bemessen; die Menschen sagten »als Berkeley Cole lebte« oder »nachdem Berkeley Cole gestorben war«. Bis zu seinem Tode war das Land ein Stück der seligen Jagdgründe, nun verwandelte es sich langsam und wurde ein Geschäftsunternehmen. Vieles sank von seiner Höhe, als er schied. Das geistige Niveau ging verloren – das ist ein herber Schlag für eine Kolonie –, die ritterliche Haltung ging verloren – bald nach seinem Tode fingen die Menschen an, von ihren Sorgen zu reden –, das Menschliche verkümmerte. Als Berkeley abging, betrat eine düstere Gestalt von der anderen Seite die Bühne – la dure nécessité, maîtresse des hommes et des dieux. Seltsam – der kleine zarte Mann hatte, solange er atmete, vermocht, sie von der Schwelle zu bannen. Nun fehlte dem Brot des Landes der Sauerteig. Ein Strom von Begnadetheit, Freudigkeit, Freiheit, eine elektrische Kraftquelle, war versiegt. C’est le superflu qui est le nécessaire – jetzt wußten wir’s, da es zu spät war. Eine Katze hatte sich aufgemacht und war aus dem Zimmer geschlichen.
Schwingen
Denys Finch-Hatton hatte in Afrika kein Heim außer der Farm; auf ihr lebte er zwischen seinen Safaris, hier hatte er seine Bücher und sein Grammophon. Wenn er zur Farm zurückkehrte, hieß sie ihn in ihrer Sprache willkommen, der Sprache, deren eine Kaffeepflanzung fähig ist, wenn die ersten Regenschauer sie mit Blüten überschütten wie mit einer kreidigen Wolke. Wenn ich Denys zurückerwartete und seinen Wagen den Weg heraufkommen hörte, fingen alle Dinge auf der Farm zu reden an und sagten, wes Wesens sie seien. Er war auf der Farm glücklich; er kam nur zu ihr, wenn er gern kam, und sie liebte an ihm eine Tugend, die die übrige Welt nicht merkte, seine Demut. Er tat nur, was er tun wollte, und nichts Gemeines kam über seine Lippen.
Denys hatte eine Eigenschaft, die viel für mich bedeutete, er liebte, Geschichten erzählen zu hören. Denn ich war immer der Meinung, daß ich in den Tagen der Pest in Florenz eine gute Figur gemacht hätte. Die Mode hat gewechselt, und die Kunst, einem Erzähler zu lauschen, ist in Europa verlorengegangen. Die Eingeborenen in Afrika, die nicht lesen können, haben sie noch bewahrt, und wenn man zu ihnen sagt: »Es war einmal ein Mann, der ging hinaus auf die Steppe und traf dort einen anderen Mann …«, dann hat man sie alle gewonnen, und ihr Geist begibt sich auf den unbekannten Pfad der Männer in der Steppe. Weiße dagegen – auch wenn sie meinen, sie sollten es können – verstehen nicht zuzuhören. Entweder werden sie zappelig, und es fällt ihnen etwas ein, was sofort gemacht werden muß, oder sie schlafen ein. Die gleichen Leute bitten einen dann um Lektüre und können einen ganzen Abend lang vor gedruckten Worten sitzen, sie können sogar eine Rede lesen. So sehr sind sie gewöhnt, ihre Eindrücke mit den Augen aufzunehmen.
Denys, der stark mit dem Ohr lebte, war es lieber, eine Geschichte zu hören als zu lesen, und wenn er auf die Farm kam, fragte er mich: »Weißt du eine Geschichte?« Ich dachte sie mir immer aus, während er fort war. Abends machte er sich’s bequem, breitete Kissen zu einer Lagerstatt am Feuer aus, und indes ich wie Scheherazade kreuzbeinig am Boden saß, horchte er mit leuchtenden Augen vom ersten Wort der Geschichte bis zum Schluß. Er paßte besser auf als ich selbst und konnte mich mitten im dramatischen Auftritt einer Person unterbrechen: »Der Mann ist zwar zu Anfang der Geschichte gestorben, aber das macht nichts.«
Denys brachte mir Latein bei und lehrte mich die Bibel lesen und die griechischen Dichter. Er selbst kannte große Stücke des Alten Testaments auswendig und hatte auf all seinen Fahrten die Bibel bei sich, was ihm bei den Mohammedanern die höchste Achtung eintrug.
Er schenkte mir auch ein Grammophon. Es
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