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Jenseits von Afrika

Jenseits von Afrika

Titel: Jenseits von Afrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Blixen
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Brüllen aus.
    In diesem Augenblick wurde das Land Afrika unendlich groß, und Denys und ich, die drauf standen, wurden winzig klein. Außerhalb des Lichtkegels war nichts als Finsternis, in der Finsternis waren in zwei verschiedenen Richtungen Löwen, und vom Himmel troff Regen. Aber als das Gebrüll erstarb, regte sich nichts mehr, und der Löwe lag, den Kopf zur Seite gewandt mit einer Miene des Ekels, ruhig hingestreckt. Zwei mächtige tote Tiere waren in der Kaffeepflanzung und ringsum die Stille der Nacht.
    Wir gingen zu den Löwen hinüber und schritten die Entfernung ab. Von unserem Standort war der erste Löwe dreißig Schritt entfernt, der andere fünfundzwanzig. Es waren beide ausgewachsene junge, starke, feiste Löwen. Die zwei Freunde aus den Bergen oder dem Grasland hatten gestern gemeinsam ihr großes Abenteuer unternommen und waren ihm heute gemeinsam erlegen.
    Jetzt kamen Kinder aus der Schule und strömten auf die Straße; als sie uns sahen, hielten sie inne und riefen uns mit gedämpften Stimmen an: »Msabu, bist du da? Bist du da, Msabu?« Ich setzte mich auf einen Löwen und rief zurück: »Ja, ich bin da.« Lauter und dreister fragten sie weiter: »Hat Bedâr die Löwen geschossen? Alle beide?« Als sie hörten, daß es so sei, waren sie im Nu alle da, wie ein Schwarm von kleinen nächtlichen Springhasen hüpften sie auf und nieder. Sie machten sofort ein Lied auf das Ereignis, das lautete: »Drei Schüsse, zwei Löwen, drei Schüsse, zwei Löwen.« Sie verzierten und umwoben es beim Singen, eine helle Stimme nach der anderen fiel ein: »Drei gute Schüsse. Zwei große, starke, böse Kali-Löwen«, und dann fand sich der ganze Chor in einem wilden Refrain: »A-B-C-D« – denn sie kamen geradewegs aus der Schule und hatten die Köpfe voll Weisheit.
    In Kürze sammelte sich eine Menge Menschen auf dem Platz, die Arbeiter aus der Kaffeeaufbewahrung, die Squatter aus den umliegenden Manyattas und meine Hausboys mit Windlichtern. Sie umstanden die Löwen und redeten von ihnen, und dann machten sich Kamithia und Sais, die Messer mitgebracht hatten, daran, sie abzubalgen. Die Haut eines dieser Löwen war es, die ich später dem indischen Hohenpriester schenkte. Sogar Pooran Singh erschien auf der Bildfläche in einem Negligé, das ihm ein unsäglich zartes Aussehen verlieh; sein honigsüßes indisches Lächeln strahlte aus seinem dichten schwarzen Bart hervor, er stotterte vor Freude, als er sprach. Ihm kam es darauf an, sich das Fett der Löwen zu sichern, das nach dem Glauben seines Volkes als Arznei hoch in Ehren stand; nach den Gebärden, mit denen er sich mir verständlich machte, durfte ich annehmen, daß es gut sei gegen Rheuma und Impotenz. So belebte sich die Kaffeeplantage, der Regen setzte aus, und der Mond schien auf alle herab.
    Wir gingen zum Hause zurück, und Juma brachte und entkorkte unsere Flasche. Wir waren zu naß und dreckig von Schlamm und Blut, um uns niederzusetzen; wir stellten uns im Eßzimmer vor das flackernde Feuer und tranken in raschen Zügen den belebenden, beglückenden Wein. Wir sprachen kein Wort. Wir hatten unseren Jagdzug als ein einziges Wesen erlebt, wir hatten uns nichts zu sagen.
    Unsere Freunde bekamen von dem Abenteuer genug zu hören. Der alte Herr Bulpett wollte, als wir das nächste Mal zum Tanzen im Klub erschienen, den ganzen Abend nichts mehr von uns wissen.
     
    Denys Finch-Hatton verdanke ich ein Erlebnis, das mir als das größte, erhebendste Glück meines Lebens auf der Farm erscheint: mit ihm bin ich über Afrika geflogen. Dort, wo es keine oder nur wenige Straßen gibt und wo man überall auf den Steppen landen kann, bekommt das Fliegen eine wirkliche und wichtige Bedeutung für das Leben, es öffnet einem die Welt. Denys hatte seine »Motte« mitgebracht, er konnte mit ihr auf meinem Grasland, nur wenige Minuten vom Hause, landen, und wir stiegen fast jeden Tag auf.
    Gewaltige Fernsichten öffnen sich, wenn man sich über das afrikanische Hochland erhebt, überraschende Mischungen und Wechsel von Licht und Farben, Regenbogenbuntheit über grünem, besonntem Land; mächtig aufragende Wolken und wilde, schwarzgeballte Unwetter umkreisen einen tanzend und sich jagend, und gewaltsame Regenschauer klären die Luft. Die Sprache ermangelt der Worte für die Erlebnisse des Fliegens, sie wird bald neue bilden müssen. Wenn man über das Rifttal geflogen ist und über die Vulkane von Suswa und Longonot, dann ist man weit fort gewesen, dann hat man die

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