Jenseits von Raum und Zeit
schon etwas einfallen.«
Braze trat näher.
»Banny, die Sache gefällt mir nicht. Sie haben dem Burschen schon viel zuviel erzählt. Verdammt zuviel!« Er musterte mich wie ein bezahlter Revolvermann, der sein späteres Opfer ins Auge faßt. Der andere Kerl hatte sich auch erhoben, damit er nicht zu sehr abseits stand. Seine flackernden Augen starrten mich an, dann blieben sie an der Waffe in Brazes Halfter hängen.
»Der Mann ist nichts für uns«, sagte er mit atemloser Stimme, wie ein Mädchen, das einen gewagten Vorschlag macht. »Sie werden – über ihn disponieren müssen.«
Tarleton fuhr herum und starrte ihn an.
»Haben Sie schon einmal einen Menschen getötet, Walters?« fragte er scharf.
Walters leckte sich über die Lippen. Sein Blick wanderte wieder zur Pistole und glitt dann rasch zur Seite.
»Nein, aber …«
»Aber ich«, sagte Tarleton. Er ging zum Panorama-Fenster und drückte auf den Schalter. Die Szenerie wandelte sich. Hohe Meereswellen brachen sich unter grauem Himmel an einem Felsenriff.
»Ihre letzte Chance, Mac«, sagte er mit falscher Herzlichkeit. »Es ist zu spät, die Sache jetzt noch abzublasen. Die Dinge nehmen bereits ihren Lauf. Wollen Sie mitmachen – oder nicht?« Er drehte sich um und blickte mir in die Augen. Sein Lächeln sah aus wie auf einem Plakat, das amerikanische Jungens für die Armee anwerben will.
»Mit mir rechnen Sie bitte nicht«, sagte ich. »Ich glaube, es liegt mir nicht, die Welt zu regieren.« Ich warf den beiden anderen einen Blick zu. »Außerdem fühle ich mich in dieser Gesellschaft nicht wohl.«
Braze bog die Mundwinkel nach unten, und Walters atmete mit halbgeschlossenen Augen hörbar durch die Nase.
»Nun, Banny?« sagte Braze. »Walters hat recht. Sie können Maclamore nicht mehr zu den anderen ins Internierungslager stecken.«
Tarleton wandte sich ihm zu.
»Wollen Sie mir vielleicht sagen, was ich tun kann und was nicht, Braze?«
»Ich gebe Ihnen nur einen guten Rat«, sagte der Geschwaderkommandant. »Mein Hals steckt genauso tief in der Schlinge wie der Ihre, und …«
»Noch eine solche Meuterei, Mister, und ich werde dafür sorgen, daß Ihr kostbarer Hals noch vor zwölf Uhr abgesägt wird. Verstanden?« Tarletons Stimme klang, als würde man eine Glasscheibe zerschneiden. Er ging zu seinem Sessel und drückte auf einen Knopf an der Armlehne.
»Purdy, kommen Sie mit Ihren vier schwachsinnigen Kerlen. Und passen Sie auf, daß sie sich nicht in die Füße schießen!« Er trat vor das Panorama-Fenster und beobachtete die Wellen. Lautlos öffnete sich die Tür, und der Deckoffizier erschien an der Spitze von vier Soldaten.
»Führen Sie Captain Maclamore in ein Quartier auf Deck A«, befahl Tarleton mit ausdrucksloser Stimme.
Der Deckoffizier eilte geschäftig auf mich zu.
»Vorwärts …«, begann er, aber Tarleton schnitt ihm das Wort ab.
»Gewöhnen Sie sich einen anderen Ton an, verdammt! Sie sprechen mit einem Offizier der amerikanischen Raummarine!«
Purdy schluckte. Ich wandte mich um und ging an den Gewehrmündungen vorbei. Diesmal verzichtete ich darauf, die Hand zum militärischen Gruß zu erheben. Diese Zeiten waren endgültig vorbei.
2.
Der Arzt beendete seine Untersuchung und ging. Ich ließ mich auf das Bett fallen und lauschte den Schiffsgeräuschen, die leise durch die Wände drangen. Es war jetzt etwa eine Stunde vergangen, seit die letzten schwachen Stöße verhallt waren, die die Trümmer verursacht hatten, als sie auf das Flaggschiff trafen. Die Trümmer, die von vierundvierzig Kampfschiffen übriggeblieben waren. Zweiundzwanzig auf der Seite der UN, der Rest auf der Feindseite.
Wenigstens hatte Tarleton versucht, noch ein paar Überlebende dieses Gemetzels zu finden. Und er holte etwa hundert bewußtlose, blutende Männer aus den Trümmern, die zufälligen Überbleibsel des Kräftespiels großer Strategie.
Ich hatte die Sache besser überstanden als die meisten anderen, glaube ich. Ich war mit ein paar kleinen Verletzungen und einer leichten Gehirnerschütterung davongekommen, die sich allerdings nach den achtundzwanzig Stunden ohne Nahrung und Schlaf verschlechtert hatte. Aber abgesehen davon war ich genauso gut in Form wie vor der Schlacht. Meine Arme und Beine konnte ich noch bewegen, und mein Herz schlug wie gewöhnlich. Meine Lungen funktionierten noch immer. Das Hirn war zwar noch etwas benommen, zugegeben. Aber es arbeitete. Es arbeitete, weil es um mein Leben ging.
Tarleton hatte es
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