Jenseits von Timbuktu
dem zweiten Klingeln meldete, brach sie in hysterisches Weinen aus und konnte kein zusammenhängendes Wort hervorbringen. Endlich gelang es ihr, ihre Angst herauszustammeln.
»Rühr dich nicht aus dem Haus«, wies Jill sie überflüssigerweise an. »Ich bin mit unseren Rangern sofort da.«
»Ich schlieÃe mich im Schrank ein«, sagte Anita und tat genau das. Langsam rutschte sie mit dem Rücken an der Wand in die Knie, kauerte sich völlig zusammen, wagte nicht, aus dem schmalen Spalt zwischen beiden Türen nach drauÃen zu schauen.
Bald hörte sie Motoren, und kurz darauf schnitten starke Scheinwerfer Schneisen durch die Nacht, und mehrere Autotüren schlugen. Mit wackeligen Knien kroch sie aus dem Schrank heraus. Gedämpft durch die Fenster vernahm sie Rufe, sah hier und da das Khaki der Inqaba -Uniformen durchs Gestrüpp schimmern. Dann lief Jill zusammen mit einer Zulu-Rangerin die Treppen hoch und klopfte an ihr Fenster. Beide Frauen hatten ihr Gewehr schussbereit in der Hand, beide trugen lange
Khakihosen, die in hochgeschnürten Buschstiefeln steckten. Hastig schaltete Anita das Licht im Wohnzimmer und über der Eingangstür wieder an, wuchtete die Blockade beiseite und öffnete die Tür einen Spalt.
Jill schlüpfte mit ihrer Kollegin herein und schloss die Tür sofort wieder. Besorgt musterte sie Anita. »Ach, um Himmels willen, du bist ja weià wie die Wand!«, rief sie und ging ohne ein weiteres Wort zur Bar, öffnete den Kühlschrank, schraubte den Deckel von einer Miniflasche Chivas Regal ab, goss den Inhalt bis zum letzten Tropfen in ein Becherglas und hielt es Anita hin. »Setz dich hin und dann runter damit! Du siehst wirklich wie durchgekaut und ausgespuckt aus.«
Obwohl sie erst ablehnen wollte, nahm Anita das Glas doch und setzte es an die Lippen. Der Rand klirrte gegen ihre Zähne, aber sie trank ein paar groÃe Schlucke. Der Alkohol brannte ihr die Kehle hinunter in den Magen, sie musste husten, aber dann rann ihr die Wärme durch die Adern und half ihrem Blutdruck auf die Sprünge. »Danke«, flüsterte sie und leerte das Glas.
Jill streichelte ihr besorgt übers Haar. »Geht es wieder? Hast du dich ein wenig erholt? Es tut mir furchtbar leid, dass du dich so erschrocken hast. Wir durchkämmen jetzt den Busch in der Umgebung der Bungalows, um herauszufinden, was sich da herumgetrieben hat. Phumile hier â¦Â« Sie machte eine Handbewegung zu der schwarzen Rangerin. »Sie bleibt inzwischen bei dir. Sie hat ihr Gewehr dabei und kann bestens damit umgehen. Du bist bei ihr sicher.« Mit einem aufmunternden Lächen strebte sie zur Tür.
»Warte«, rief Anita. »Das Knurren ⦠das war anders, als wenn ein Hund knurrt. Es schien von überall her zu kommen ⦠Es ⦠es muss ein sehr groÃes Tier gewesen sein â¦Â« Sie scheute sich, Löwen zu erwähnen, weil sie befürchtete, sich lächerlich zu machen. »Gibt es im Wildreservat auch Hunde?«
»Wir haben Hunde, zwei Dobermänner, aber die können sich
nur in einem gewissen Bereich um unser Privathaus herum bewegen. Trotzdem ⦠Warte einen Moment â¦Â« Jill drückte die Taste ihres Funkgeräts. »Jonas? Sieh mal nach, ob Roly und Poly da sind, wo sie hingehören.«
Es dauerte nicht einmal eine Minute, bis Jonas sich zurückmeldete.
»Okay. Over and out.« Jill lieà die Taste los. »Ein Hund ist es nicht gewesen.«
Die Zulu-Rangerin, die bisher stumm neben ihr gestanden hatte, überraschte Anita. »Es können Löwen gewesen sein«, bemerkte sie. »Löwen gehen gern auf Wanderschaft. Das kommt schon mal vor. Das gehört zum Buschleben, und Sie haben wirklich gut reagiert.«
Anita quittierte das Lob mit einem winzigen Lächeln.
Jill sandte der Rangerin einen warnenden Blick. »Ich halte es für auÃerordentlich unwahrscheinlich, dass sich Löwen so nah an die Bungalows gewagt haben. Aber wir werden dem jetzt nachgehen. Sowie wir sicher sind, dass die Luft rein ist, holen wir dich ab. Mit dem Auto. Ist das in Ordnung?« Jill stand bereits in der offenen Tür.
»Ja, ja, das ist gut.« Der Schrecken war abgeebbt, und Anita nahm sich und die Umgebung wieder wahr. Ihr wurde bewusst, dass ihr Kleid schweiÃnass war, und bemerkte erst jetzt, dass der Saum zerrissen herunterhing. Irgendwo auf ihrer Flucht musste sie an einem
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