Jenseits von Timbuktu
essen â¦Â« Trübsinnig hob sie die Schultern. »Und dann ⦠dann passiert es eben.«
»Na so was«, war alles, was Anita hervorbrachte. Begreifen tat sie nichts. Es war einfach zu viel auf einmal. Zu einer Welt, in der so etwas vorkam, fand sie keinen Zugang. Sie dachte an die mondänen Läden der Waterfront in Kapstadt, an die edlen Apartmenthäuser in Umhlanga Rocks, die sinnliche Atmosphäre der Oyster Box und fand keine Verbindung. Der Gran Canyon wäre als Metapher nicht weit und tief genug, um den Abstand zu beschreiben, den sie jetzt zu dem Leben verspürte, das Jill Rogge führte. Ihre Gedanken schwirrten. Aber ihr Puls verlangsamte sich auf annähernd normales MaÃ. Zumindest hatte sich das Gefühl verzogen, dass Jill ihr etwas verheimlichte. »Was unternehmt ihr dagegen?«
»Wir verdoppeln die Patrouille. Wenn du also hier Männern in Tarnuniform mit Maschinenpistolen begegnest, sind das keine Kriminellen oder Terroristen, sondern unsere Leute. Im Allgemeinen bekommt niemand sie zu Gesicht. Sie sind so gut getarnt, dass sie nur Meter von dir entfernt stehen können, und du siehst sie nicht.«
Das Bild vor Anitas innerem Auge wechselte. »Maschinenpistolen. Das klingt nach Krieg.« Sie konnte einen Schauer nicht unterdrücken. Krieg und Waffen. Es gab kaum etwas anderes, was sie so sehr fürchtete. Körperliche Gewalt vielleicht. Es war sicherlich der Nachhall der Geschichten ihrer Eltern vom
letzten Weltkrieg, von den fürchterlichen Dingen, die da passiert waren.
»Das ist es auch.« Jill hatte offenbar nicht vor, dieses Thema auszuweiten.
Aber Anita blieb hartnäckig. »Wie viel Mann hat eure Patrouille? Zehn? Zwanzig? Oder mehr?«
Jill druckste einen Augenblick herum. »Zehn«, gab sie dann mit deutlichem Widerwillen zu.
Anita blickte bestürzt drein. »Zehn Mann für ein derartig riesiges Gebiet! In einem Zeitungsartikel las ich kürzlich, dass die Wilderer hochprofessionell mit Maschinenpistolen und Nachtsichtgeräten ausgerüstet sind. Wie steht es damit bei deinen Rangern?«
Jill biss sich auf die Lippen.
»Bitte sei ehrlich«, sagte Anita. »Ich glaube, das habe ich mir verdient.«
Ein kurzer Kampf spielte sich auf Jills Gesicht ab, dann zuckte sie mit den Achseln. »Auch einige unserer Ranger haben Maschinenpistolen ⦠aber bei einem Schusswechsel â¦Â«
Ihr Funkgerät knackte, und sie griff danach wie nach einem Rettungsanker. Phumiles Stimme ertönte. Sie berichtete, dass alle Ranger versammelt seien. »Ich komme«, sagte Jill und wandte sich dann mit offensichtlicher Erleichterung an Anita. »Ich schicke dir einen Wagen«, sagte sie und öffnete die Tür.
Anita stand vom Sessel auf. »Halt, nur noch eine letzte Frage  â wie geht es Kira? Habt ihr herausbekommen, weswegen sie so geweint hat?«
Jills Augen verdunkelten sich. Sie schüttelte langsam den Kopf. »Noch nicht. Kira hat allen Versuchen widerstanden, das aus ihr herauszulocken. Aber sie hat sich beruhigt.  â Da ist noch etwas«, sagte sie nach kurzem Zögern. »Ich möchte dich bitten, die Sache mit den Wilderern vor niemand zu erwähnen.«
»In Ordnung«, sagte Anita. »Es geht mich ja auch nichts an.
Aber dass sich Löwen in der Nähe meines Bungalows herumgetrieben haben, werde ich erzählen. Irgendetwas muss ich doch als Entschädigung für meinen Schrecken bekommen, oder? Und wenn es nur Aufmerksamkeit ist.« Sie grinste spitzbübisch. »Frau Muro wird sicherlich sofort nach Bodyguards oder der Armee oder beidem rufen.«
Jetzt musste sogar Jill lachen. »Da könntest du recht haben. Ich sage gleich Bescheid, dass man dich abholt.«
»In einer Viertelstunde bin ich fertig. Ein Wagen wird nicht nötig sein. Ein todesmutiger Ranger genügt«, rief sie hinter Jill her, die eben die Tür hinter sich zuzog. Im selben Augenblick läutete ihr Mobiltelefon. Sie nahm den Anruf an. »Ja bitte?«
Es war Dirk, der fragte, ob etwas geschehen sei, weshalb sie noch nicht zum Essen erschienen sei. »Marina und Flavio vergehen vor Hunger«, setzte er scherzend hinzu.
»Gebt mir zwanzig Minuten  â oder riskiere ich damit, dass eine weltberühmte Schauspielerin und ein ebenso berühmter Regisseur vor Hunger sterben?« Ihr Kleid war verschmutzt und zerrissen, und ihr Make-up bedurfte einer
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