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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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mich, warum sie ihn überhaupt zu Pflegeeltern gegeben hat.«

    Konsterniert schaute sie ihn an. »Davon wusste ich gar nichts. Und ich möchte gerne wissen, wie es sein kann, dass Riaan, sein Bruder, der demnach auch mein Neffe ist, weiß ist, während Maurice … farbig ist. Das heißt, ob sie verschiedene Väter haben.«
    Â»Könnte aber auch derselbe Vater sein. Es gibt Eltern, die Zwillinge bekommen, und einer ist weiß und der andere schwarz. Aber mysteriös ist es trotzdem.«
    Â»Es gibt so viel, was ich sie fragen müsste. Ich will endlich wissen, was hier vorgefallen ist. Warum unsere Eltern das Land offenbar Hals über Kopf und für immer verlassen haben, warum Cordelia hier geboren ist und Maurice in Deutschland … und Riaan …« Trübsinnig sah sie auf ihre Hände. »Der ist so ganz anders als Maurice. Unfreundlich … unhöflich … Na, du hast es ja selbst erlebt.«
    Bevor Dirk antworten konnte, klingelte sein Handy. Mit einem Unmutslaut holte er es aus der Hosentasche und sah auf das Display. »Flavio«, murmelte er. »Da sollte ich rangehen. Entschuldige bitte.« Er stand auf, ging ans andere Ende der Terrasse und stellte einen Fuß auf den ersten Querbalken des Geländers, während er zuhörte, was der Regisseur zu sagen hatte. Nach kurzer Unterhaltung schaltete er das Telefon wieder aus und kam zurück zu Anita.
    Â»Flavio fragt, ob du Lust hast, mit ihm, Marina und mir zu Abend zu essen. Eigentlich würde ich viel lieber mit dir allein dinieren, aber du weißt ja, wie es ist: Geschäft ist Geschäft.« Er schaute geknickt drein. »Ich bin leider nicht zum Vergnügen hier, und Flavio ist für die Dauer des Films so etwas wie mein Boss.«
    Anita musste nicht lange überlegen. Einem dunklen, leeren Abend, an dem die Bilder und die Erinnerungen an ihre Zeit mit Frank wie Felsbrocken auf sie herabstürzen würden, fühlte sie sich noch nicht gewachsen. Angeblich würden sich mit den
Jahren die scharfen Kanten abschleifen  – so hatte ihr zumindest Dr. Witt versichert  –, aber das konnte sie sich jetzt noch nicht vorstellen. »Gern«, antwortete sie deshalb vorsichtig. »Wann?«
    Dirks Gesicht leuchtete auf. »Um halb acht, auf der Restaurantveranda. Soll ich dich abholen? Es wird dann schon stockdunkel sein.«
    Â»Nicht nötig, die werden mir einen bewaffneten, strammen Ranger schicken, der mir die Löwen vom Hals hält.« Etwas verwundert registrierte sie, wie gut es ihr getan hatte, diesen Nachmittag nicht allein gewesen zu sein. Ihr Blick flatterte hinüber zu ihm. Dirk Konrad hatte ihr heute gutgetan.
    Doch jählings überfiel sie das Schuldgefühl gegenüber Frank, das sie seit seinem Tod immer dann beschlich, wenn sie einmal von Herzen lachte oder sich amüsierte, und erneut breitete sich graue Kälte in ihr aus. Die Kanten waren noch zu scharf, und auch Ströme von Champagner würden nicht helfen, sie abzuschleifen. Nur Zeit.
    Â 
    Schon Viertel nach sieben war sie fertig und setzte sich auf ihre Veranda. Sie schob den knielangen Saum ihres schwingenden Hängerkleids hoch und fächelte sich Kühlung zu. Der telefonisch angeforderte Ranger sollte in den nächsten Minuten bei ihr auftauchen. Zu ihren Füßen sammelten sich tiefe Schatten zwischen den Büschen. In wenigen Minuten würde auch der letzte pfirsichfarbene Widerschein der längst untergegangenen Sonne verloschen sein, aber schon schimmerte der Mond durch die Äste. Die Sternenblüten der Amatungulubüsche unterhalb der Brüstung strömten exquisiten Duft aus. Anita fühlte sich leicht und gleichzeitig wunderbar träge, so als schwebte sie schwerelos in der warmen Nachtluft. Das war sicherlich eine Nachwirkung des Champagners, aber das war ihr egal. Nachher würde sie auch noch mehr trinken, bis sie es schaffte, einen Abend lang an etwas anderes zu denken als an die Vorfälle an jenem
heißen Julitag von vor zwei Jahren. Vielleicht würde sie danach einmal wirklich durchschlafen. Ohne Albträume, ohne Panikanfälle. Ohne diesen eiskalten Schmerz der Einsamkeit.
    Sie schaute auf die Uhr. Sieben Minuten waren seit ihrem Anruf vergangen. Ihr bewaffneter Begleitschutz sollte gleich bei ihr eintreffen, und sie entschied, unten an der Treppe zu warten. Sie stand auf und rettete erst einen großen Nachtfalter, der vom

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