Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
Vom Netzwerk:
Licht, das aus dem Wohnzimmer strömte, angezogen gegen das große Fenster flatterte. Als er lautlos in die Schatten davonflog, ging sie langsam die Stufen hinab. Unten tat sie ein paar Schritte, überlegte, ob sie dem Ranger ein Stück entgegenlaufen sollte, aber sie hatte keine Taschenlampe, und schwarze Wolken schoben sich jetzt vor den Mond. Dunkelheit verschluckte den Weg. Außerdem war ihre Nachtsicht nicht sehr gut, und diese tiefe, dichte Schwärze verursachte ihr Beklemmung, so als sickerte kaltes Wasser durch ihre Adern.
    Schnell kehrte sie zur Treppe zurück, stieg hinauf und setzte sich auf die oberste Stufe. Offenbar war der Ranger aufgehalten worden. Die Darbietungen der nächtlichen Sänger hatten eingesetzt. Erst zögernd, dann lauter, bis ein vielstimmiger Klangteppich über dem Busch lag. Afrikas Wiegenlied, hatte es ihre Mutter immer genannt und davon geschwärmt, wie herrlich das war. Sie lauschte mit geschlossenen Augen. Es war herrlich.
    Es war so schön, dass es wehtat.
    Erst nach einer Weile drang ein weiteres Geräusch in ihr Bewusstsein. Eigentlich war es mehr ein tiefes Vibrieren der Luft, als arbeitete irgendwo in der Ferne ein großer Generator. Ihre dahinplätschernden Gedanken befassten sich nur flüchtig mit der Frage, wo hier in der Wildnis ein Generator laufen könnte. Unbewusst zuckte sie mit den Schultern. Vielleicht bei der Lodge.
    Erneut stand sie auf und sah dabei verärgert auf ihre Uhr. Der Ranger hätte längst auftauchen müssen. Sie ging hinunter,
rümpfte die Nase, als ein stechender Geruch aus dem Busch zu ihr herüberwehte, und ging ein paar Schritte den mittlerweile von schwachem Mondlicht erhellten Pfad entlang. Jetzt wurde das Vibrieren lauter, klang viel näher, hatte schon fast etwas Bedrohliches.
    Und dann verstummte das nächtliche Konzert der Tierstimmen plötzlich. Unvermittelt überlief Anita eine Gänsehaut, und ihr Herz begann zu hämmern. Energisch rief sie sich zur Ordnung. Es gab keinen Grund, Angst zu haben. Doch jetzt wurde ihr bewusst, dass das Vibrieren sich zu einem vollen, resonanten Knurren manifestiert hatte, so als würde jemand die Membran einer großen Basstrommel in Schwingungen versetzen. Es schien von allen Seiten auf sie zuzukommen. Und nun vernahm sie noch ein anderes Geräusch. Knacken. Trockenes Knacken, wie von brechenden Ästen. Oder Knochen. Ihr sackte das Blut in die Beine, und Sterne tanzten ihr vor den Augen. Sie wagte keinen Muskel zu rühren.
    Was war hier im Busch, was ein solches Geräusch verursachen konnte? Ein Tier, natürlich, aber wie groß …
    Ihr stockte der Atem. Löwen?
    Im Bruchteil einer Sekunde war sie nass bis auf die Haut. Sie presste die Zähne aufeinander, damit sie sich nicht durch ihr Klappern verriet, aber dann fiel ihr ein, dass Löwen außer einem hervorragenden Gehör auch einen ebensolchen Geruchssinn besaßen. Ohne weiter darüber nachzudenken, wirbelte sie herum, ihr Kleid flog hoch, sie rannte die Treppe zum Bungalow hoch, wollte die Tür öffnen, aber die Klinke rutschte ihr unter den schweißnassen Händen weg. Erst mit Nachgreifen schaffte sie es, sie herunterzudrücken. Mit dem Fuß stieß sie die Tür auf, warf sich von innen sofort mit aller Kraft dagegen, wollte abschließen, aber dann fiel ihr ein, dass sie keinen Schlüssel bekommen hatte. Weil hier keine nötig seien.
    Ihre Gedanken rasten. Was wog ein Löwe? 250 Kilogramm,
schätzte sie. Würde sich eine der riesigen Raubkatzen gegen die Tür werfen, böte diese wohl so viel Schutz wie ein Gazevorhang. Ein Eisklumpen setzte sich in ihrem Magen fest, und ihr Blick hetzte durch den Raum auf der Suche nach etwas, was sie als Barriere benutzen konnte, und blieb an dem niedrigen Wohnzimmertisch hängen. Sie zerrte das überraschend schwere Möbelstück zur Tür, kippte es hochkant und schob es so unter die Klinke, dass es diese blockierte, rannte zurück und schob die zwei Sessel davor.
    Dann flog sie von Lichtschalter zu Lichtschalter, schlug auf jeden, bis sie im Dunkeln war. Schwer atmend stand sie in der Mitte des Zimmers. Wenigstens hatte sie nicht mehr das Gefühl, von allen Seiten sichtbar zu sein wie ein Fisch im Aquarium, den eine hungrige Katze von außen beobachtet.
    Quälend lange musste sie warten, ehe ihre Nachtsicht wiederhergestellt war und sie das Telefon fand. Als Jill selbst sich nach

Weitere Kostenlose Bücher