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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Tier gewesen? Lange Zeit geschah nichts. Sie ging ein paar Meter und beschloss dann umzukehren. Doch auf einmal hörte sie etwas anderes. Einen Schrei, der wie abgeschnitten aufhörte.
    Sicherlich ein Affe, dachte sie, um sich zu beruhigen, aber es gelang ihr nicht. Es hatte wie ein Mensch geklungen, entweder eine junge Frau oder … ein Kind. Ihr sträubten sich die Haare im Nacken. Eine undefinierte Angst und auf der anderen Seite das Bedürfnis nachzusehen, wer oder was da geschrien hatte, stritten in ihr miteinander.
    Am Ende gewann ihr Verantwortungsgefühl. Wenn es ein Kind gewesen sein sollte, brauchte es vielleicht ihre Hilfe. Mit Herzklopfen schlich sie dem Geräusch auf Zehenspitzen entgegen, schrak bei jedem Knacken eines Zweiges unter ihren Tritten zusammen, bei jedem ungewohnten Laut, aber der Schrei wiederholte sich nicht. Verunsichert blieb sie stehen. Vielleicht hatte sie sich doch getäuscht? Selbst wenn es ein Kind gewesen sein sollte, könnte es ja auch ein Freudenschrei gewesen sein. Oder vergnügtes Kreischen beim Spielen. Oder ein trotziges Kind, das schrie, weil es etwas nicht bekam.
    Die Hunde fingen wieder an zu bellen, aber sie musste schon ziemlich weit vom Zwinger entfernt sein, denn es klang nicht mehr so bedrohlich. Das Gebell hörte nicht auf, und sie befürchtete, dass der Krach Cordelia aufwecken würde. Sie musste umkehren, überredete sie sich, ihre Schwester brauchte sie. Vermutlich hatte sie sich ohnehin geirrt. Da war kein Schrei gewesen. Afrikanische Vögel schrien so, dachte sie und hörte im Geiste die Hadidahs.
    Sie drehte sich um, hastete den Weg zurück, orientierte sich am Hundegebell, verlief sich trotzdem, aber irgendwann schimmerte
das bläuliche Schieferdach des Hauses durch den Busch, und sie atmete auf.
    Vielleicht erwies sich der Migräneanfall als ein Segen, dachte sie, vielleicht bewirkte er, dass sich der Spalt in Cordelias Gefühlspanzer wieder öffnete.

12
    F lavio Schröder war während des Mittagsimbisses deutlich ruhiger geworden, auch schien sein Appetit verschwunden zu sein. Marina, die eben ein saftiges Steaksandwich mit frischem Salat serviert bekam, bemerkte, dass er eine grünlich käsige Farbe angenommen hatte.
    Â»Du siehst aus wie ein Stück Roquefort«, meinte sie mit maliziösem Lächeln und stopfte sich ein ölglänzendes Salatblatt in den Mund. Es machte ihr immer viel Spaß, Flavio ein wenig zu piesacken, besonders was sein Aussehen betraf, auf das er sehr viel Wert legte. Aber außer einem gequälten Blick bekam sie von ihm keine Antwort. Er hing in seinem Stuhl, als wäre er zu schwach, aufrecht zu sitzen, und atmete schnell und flach. Innerlich zuckte sie mit den Schultern. Vielleicht hatte er in der Nacht die Minibar geleert. Das tat er manchmal, und dann geschah es ihm recht.
    Â»Ich hab nicht gesoffen«, knurrte er böse.
    Â»Kannst du neuerdings Gedanken lesen?« Ein weiteres Salatblatt verschwand in ihrem Mund, wobei ihr das Dressing übers Kinn rann. Mit der Serviette tupfte sie es behutsam ab.
    Flavio Schröder warf seine Serviette hin und schob heftig den Stuhl zurück. »Lass den Quatsch, mir ist kotzübel«, stieß er aus, blieb aber mit krampfhaft geschlossenen Lippen vornübergebeugt sitzen, als dächte er über etwas nach.
    Sie ließ die Gabel sinken und lehnte sich zu ihm. Ihr Ton war jetzt bar jeder Ironie. »Was ist los? Vom Essen gestern Abend kann’s nicht kommen, sonst wären wir wohl alle krank. Mir fehlt nichts, und ich habe vorhin Anita gesehen, die wegfuhr, und die
schien auch völlig in Ordnung zu sein. Abgesehen davon macht das Restaurant einen Topeindruck auf mich. Was hast du genau? Kotzübel ist eine eher allgemeine Aussage.«
    Â»Bauchkrämpfe, Durchfall, und jetzt muss ich mich … übergeben.« Das letzte Wort japste er nur noch. Die Hand fest über den Mund gepresst, stürmte er an den Tischen vorbei in Richtung Toiletten, stieß dabei einen leeren Stuhl um, kümmerte sich aber nicht weiter darum, sondern hastete weiter und verschwand im Haupthaus.
    Marina betrachtete ihren Salat. Die Blätter glänzten ölig, unter einem ragte etwas hervor, was sie nicht definieren konnte. Sie hob das Blatt an. Es war ein Teil einer Garnele. An sich ein leckeres Tierchen, aber die leicht glasige Konsistenz, die gräulich rosa Farbe und die komischen kleinen Dinger, die an ihm

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