Jenseits von Timbuktu
sein Mobiltelefon herausnahm und auf eine der Kurzwahltasten drückte.
»Wer will etwas von mir?«, kam eine tiefe, volle Stimme durch den Hörer.
»Vilikazi, hier ist Nils ⦠Wie geht es dir?«
Ein paar Minuten lang tauschten sie Neuigkeiten über die Familie aus, ob es allen gut gehe, wohin Vilikazis Enkelin auf Hochzeitsreise gefahren sei, und dass bereits ein Kind auf dem Weg sei.
»UrgroÃvater, ich!«, stöhnte Vilikazi. »Stell dir das einmal vor. Na, wenigstens sind das zwei weitere Hände, die für Sarah und mich später sorgen können.« Er lachte sein tiefes, dunkles, angenehmes Lachen.
Nils lachte ebenfalls, wurde aber schnell ernst. »Es gibt ein Problem, ein plötzlich aufgetretenes Problem«, begann er behutsam und wählte seine Worte sorgfältig. »Du hattest mit ⦠dem Sohn deines Freundes darüber gesprochen. Erinnerst du dich?« Er zog seine Beine vom Schreibtisch und setzte sich auf.
Namen würde er am Telefon nie nennen. Dem Telefon als sicherem Kommunikationsmittel hatte er schon immer misstraut, und nachdem Jill ihm erzählt hatte, dass man in der Zeit der Apartheid nie sicher gewesen sein konnte, ob nicht jemand mithörte, hatte er es sich angewöhnt, wichtige Gespräche so vage zu halten, dass ein AuÃenstehender den Inhalt nicht verstehen würde. Gewisse Dinge besprach man unter vier Augen.
Nach einer winzigen Pause antwortete Vilikazi: »O ja, allerdings. Wie geht es Jill?«
»Jemand hat ihr GrüÃe ausgerichtet. Ihr und den Kindern.«
Wieder gab es eine Pause auf Vilikazis Seite, dieses Mal etwas länger. »Vielleicht sollten wir uns des Problems â¦Â«
»Annehmen?«, ergänzte Nils trocken. »Ja, das wäre eine gute Idee.«
»Strebst du da eine permanente Lösung an?«
Gespanntes Schweigen trat ein. Im Hörer knackte es, ganz entfernt hörte man jemand reden und lachen. Nils hatte seinen Kaffeebecher und die Stapel von Unterlagen auf seinem Schreibtisch beiseitegeschoben und seine langen Beine wieder auf die verstaubte Oberfläche gelegt. Er kaute an seinem Bleistift. Ein Holzsplitter löste sich und geriet ihm zwischen die Zähne. Er löste ihn mit der Zunge und spuckte ihn aus.
»Ich bin mir nicht sicher, dass ich verstehe, was du meinst ⦠Vermutlich will ich das auch nicht ⦠Ich will nur, dass ⦠dieses Problem aus unserem Leben verschwindet, verstehst du?«
Ein leises Lachen, eher ein zufriedenes Glucksen, kam durch die Leitung. »Wir hören voneinander.«
Es klickte, und die Verbindung war getrennt. Nils legte sein Handy auf den Schreibtisch und nahm abwesend den Kaffeebecher hoch. Im Kopf spulte er die Unterhaltung mit Vilikazi noch einmal ab, Wort für Wort. Hatten sie etwas gesagt, was von einem zufälligen Zuhörer hätte falsch interpretiert werden können? Er war nicht naiv, er hatte zu lange in diesem Land gelebt, um nicht zu wissen, was Vilikazi mit einer permanenten Lösung angedeutet hatte. SchlieÃlich entschied er, dass niemand aus ihrer Unterhaltung schlieÃen konnte, dass Vilikazi und er gerade einen Mord verabredet haben könnten.
Er trank einen Schluck und verzog angewidert das Gesicht. Der Kaffee hatte schon eine Weile dort gestanden, und die Milch darin war sauer geworden. Er stellte den Becher auf den Schreibtisch. Hinter ihm ging die Tür auf, er nahm die Beine vom Tisch und drehte seinen Stuhl herum. Es war Jill, und sie schien ziemlich aufgebracht zu sein. Unwillkürlich setzte er sich gerade hin.
»Hör mal, ich möchte nicht, dass Kira zu Lucy fährt«, sagte
sie ohne Umschweife und sehr energisch. Und ziemlich laut. »Ich möchte sie bei mir in der Nähe haben.«
Nils wirbelte seinen Bleistift zwischen den Fingern. Den Ton kannte er. Ein Unwetter war im Anzug. Eines von der explosiven Art. Er setzte ein gewinnendes Lächeln auf. »Ich finde es eine gute Idee, sie zu Lucy Mortimer zu bringen, Schatz. Die Farm liegt weitab, und Pienaar wird sie dort nicht suchen. Die Lösung halte ich für die beste.«
»Ich aber nicht. Ich will, dass sie hierbleibt. Mortimers Farm grenzt für ein paar Hundert Meter an die nordwestliche Grenze von Inqaba, wie du sehr wohl weiÃt. Das ist mir viel zu nah.«
Innerlich seufzte er, hütete sich aber, das laut zu tun. Jill auf dem Kriegspfad war etwas, was man nicht herausfordern sollte.
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