Jenseits von Timbuktu
würde. Filmleute pflegten Bitten, doch etwas Rücksicht auf die übrigen Gäste zu nehmen, mit völligem Unverständnis zu begegnen.
Aber Gott sei Dank würde Nils dann wieder da sein und das Team in Empfang nehmen. Der Kameramann und er waren seit Ewigkeiten dicke Freunde. Saufkumpane, setzte sie für sich hinzu und verzog das Gesicht. Die meisten Journalisten, die sie kannte, tranken zu viel. Nils hatte sich das bis auf ein, zwei AusreiÃer in ihrem ersten Ehejahr abgewöhnt. Glücklicherweise.
Langsam steuerte sie über die Brücke, die auf beiden Seiten in Abständen von zwei Metern mit niedrigen Betonquadern begrenzt war. Die Blöcke dienten einerseits dazu, unerfahrene Touristen davor zu bewahren, mit dem Auto über die Kante in den Fluss zu stürzen, andererseits verhinderten sie, dass sich bei Ãberschwemmungen ausgerissene Bäume und Büsche dort auftürmten.
Das Flussbett wand sich in weitem Bogen nach Osten. In einigen Hundert Metern Entfernung entzog es sich ihrem Blick in einem Dickicht von raschelndem Schilf, üppigen Ilala-Palmen und wilden Bananen, deren groÃe Blätter noch grün glänzten. Weit zurückgesetzt vom Flussufer ragte eine schroffe Felswand aus den Baumkronen.
Für einen Moment hielt sie an, schaltete den Motor ab und lieà das Fenster herunter. Tiefe Stille umfing sie. Alle Lebewesen hatten sich in schützenden Schatten zurückgezogen, lediglich einige Geier zogen ihre lautlosen Kreise am brennend blauen Himmel. Bliebe der Regen noch lange aus, würden sie bald einen reich gedeckten Tisch finden.
Sie schaute hinunter zum Flussbett. Das vertraute Gurgeln des dahinströmenden Wassers war verstummt, doch hier und da glitzerten noch Pfützen zwischen den Felsen. Rotköpfige Finken schwirrten herbei und tranken, blaue Libellen flirrten über der Oberfläche, am Grund des gröÃten Tümpels trieb eine Schildkröte. Es war kein Laut zu hören.
Ihre Augen strichen hinauf zur nächsten Anhöhe. Dort veränderte sich das Terrain. Dornendickicht und gelbes, vertrocknetes Gras überzog die weichen Hügel, vereinzelt blühende Aloen lieferten Farbtupfer, Schirmakazien, bedeckt von Schleiern gelber Mimosenblüten, warfen flirrende Schatten, gaben ihm die unvergleichliche Atmosphäre der afrikanischen Savanne. Es war eine friedliche, endlos wirkende Landschaft. Ihr Zuhause. Ihre Gedanken zerflossen im Licht.
Plötzlich hustete jemand, und sie kehrte ruckartig in die Gegenwart zurück. Es war ein kurzer, harter Laut gewesen, fast menschlich. Jetzt herrschte wieder tiefe Stille. Konzentriert lauschte sie auf eine Wiederholung des Geräuschs, spürte dabei eine drängende Unruhe. Aber es blieb still, nicht einmal ein Vogel schimpfte. Es war so, als hätte ein Schreck alle Lebewesen verstummen lassen.
War das ein Mensch gewesen? Unmöglich, gab sie sich sofort zur Antwort. Kein Mensch würde hier zu Fuà herumlaufen. AuÃerdem waren wohl alle Gäste mit den Rangern unterwegs. Vielleicht streunte ein Leopard umher? Obwohl das tagsüber bei dieser Hitze ungewöhnlich war. Am wahrscheinlichsten erschien ihr, dass der Wachtposten einer Pavianherde einen Warnlaut ausgestoÃen hatte. Aufmerksam suchte sie in dem staubigen Grün des gegenüberliegenden Ufersaums nach Anzeichen für die Anwesenheit von Affen. Hin und her schlagende Büsche oder Baumkronen oder Gras, das durcheinandergequirlt wurde.
Aber da war nichts. Noch einmal schaute sie genau hin, lieà keinen Zentimeter der Umgebung aus, konnte aber keinerlei Bewegung feststellen. Langsam entspannte sie sich wieder. Vermutlich war es ein einzelner Pavian gewesen. Ein junger, nach der Tonlage zu urteilen. Die Zikaden begannen eine nach der anderen ihre Saiten zu streichen, und bald vibrierte die Luft von ihrem Schrillen. Sie startete den Landrover wieder.
Die Steigung auf der anderen Seite war steil, sie musste in den ersten Gang schalten. Der Motor heulte auf. Zwei junge Paviane, die am StraÃenrand Marulafrüchte kauten, stoben empört schnatternd davon und sprangen in die dichte Krone eines Götterfruchtbaums, dessen dunkelgrüne Blätter wie im Sturm umherschlugen. Dort saà offenbar der Rest der Pavianfamilie. Die leisen, beruhigenden Gurrlaute der Mütter waren deutlich zu vernehmen. Einer von ihnen hatte sicher gehustet. Sie hatte also richtig gehört. Vorsichtig lieà sie das Fenster
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