Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
Vom Netzwerk:
länger als fünf Minuten bis hierher gebraucht hatten, aber sie konnte sich auch täuschen. Ihr Gefühl dafür, wie viel Zeit verstrich, war ihr längst abhandengekommen. Sie ließ den Blick über ihre Umgebung fliegen. Schenkelhohes Gras, ein halbes Dutzend vielstämmige Baumstrelitzien, sonst nur dichtes Gebüsch. »Wo hinein?«, fragte sie.

    Len Pienaar ergriff ihren Oberarm und schleppte sie durchs noch immer regennasse Gras, unter dem Tropfenschauer hindurch, der von den großen Blättern der Baumstrelitzien herabfiel, zu einem mit Gras gedeckten, fensterlosen kleinen Haus, an das sich rechts und links schwere Gitter anschlossen. Mit intakten elektrischen Drähten auf der Innenseite, wie Anita sofort entdeckte.
    Pienaar öffnete die angerosteten Metallbolzen der Türverriegelung und schob die überraschend massive Eingangstür auf. Stumm zeigte er mit dem Daumen hinein. Sie blieb störrisch stehen, konnte nicht einfach widerstandslos das tun, was dieser Mann verlangte. Jedes Mal, wenn sie sich nicht zur Wehr setzte, würde er einen Schritt weitergehen, da war sie sich sicher. Mit allen Mitteln würde sie das zu verhindern suchen. Sie bekam einen Stoß in den Rücken, den sie jedoch erwartet hatte, und deshalb fiel sie nicht hin, sondern landete auf den Füßen.
    Hinter ihr wurde die Tür sofort wieder verschlossen, und Pienaars Schritte entfernten sich schnell. »Schweinekerl«, schrie sie ihm nach. Ihr gefiel Kiras Wort. »Schweinekerl«, wiederholte sie leise mit Tränen in den Augen.
    Dann machte sie sich daran, ihr Gefängnis zu erkunden. Die Grasauflage auf dem Dach war dünn. Die Witterung und sicherlich der letzte Sturm hatten an manchen Stellen Löcher entstehen lassen, die groß genug waren, um das gleißende Mittagslicht so weit hereinfiltern zu lassen, dass zumindest helle Dämmerung herrschte. Insgeheim seufzte sie vor Erleichterung. Dunkle, geschlossene Räume verursachten ihr größtes Unbehagen, um nicht zu sagen Angst. Schon seit ihrer frühesten Kindheit.
    Die Wände bestanden aus rohen Ytong-Blöcken, der Mörtel dazwischen war nachlässig aufgetragen. Mal zu dick, mal fehlten ein paar Zentimeter. Auch durch diese Lücken fiel Licht. Der Boden war aus unebenem Beton gegossen, in manchen Ritzen bohrten sich die ersten grünen Halme hindurch. Mit Schritten
nahm sie Maß. Zehn in der Länge, fünf in der Breite. Am anderen Ende gab es eine größere Nische, die von der Tür aus nicht zu erkennen war. Drei mal zwei große Schritte maß sie. Hier lief das Dach im Neigungswinkel weiter, sodass es dort keine Stehhöhe gab, und kein noch so kleiner Lichtstrahl erhellte die tiefe Dunkelheit. Im ganzen Raum stand kein Möbel. Es gab keinen Hinweis, wozu dieses Gebäude gebraucht wurde, außer, dass es fürchterlich stank. Nach Katzenurin.
    Sie lehnte an der Wand und überlegte. Vielleicht wurde es als Kurzzeitkäfig für Löwen verwendet. Als eine Art Zwischenlager. Sie sah hoch. Bei dem Zustand des Daches fiel es ihr allerdings schwer, sich das vorzustellen. Ein wanderlustiger Löwe würde das zerfledderte Dach mit wenigen Prankenhieben zerstören können. Diese Erkenntnis half ihr allerdings überhaupt nicht weiter.
    Vom regendurchtränkten Grasbelag tropfte es stetig herunter. Es war unerträglich heiß und stickig, und der scharfe Katzenuringeruch legte sich auf ihre Geruchs- und Geschmacksnerven. Grün schillernde Schmeißfliegen krochen durch eine Lücke zwischen Dach und Mauer und surrten auf der Suche nach Leckerbissen im Raum umher. Sie blinzelte hoch und versuchte vom Stand der Sonne her die Uhrzeit zu schätzen. Sie musste sich für Sekunden durch die Wolkenbarriere gekämpft haben, denn ein Strahl fiel fast senkrecht herunter. Es war also um die Mittagszeit, jedenfalls nicht viel später. Der Strahl hatte ihre bloße Haut getroffen. Es brannte so schmerzhaft, dass sie zum wiederholten Mal nachsah, ob sich Blasen gebildet hatten. Hatten sich nicht, aber sie rückte trotzdem zur Seite und wandte sich wieder der Suche nach einem Fluchtweg zu.
    Frustriert forschte sie nach einer Möglichkeit, die Löcher im Dach so zu erweitern, dass sie entkommen konnte. Aber sie musste schnell aufgeben. Die Zwischenräume zwischen den Dachsparren waren zu eng, um es einem Menschen zu erlauben
hindurchzuschlüpfen. Außerdem war das Dach

Weitere Kostenlose Bücher