Jenseits von Timbuktu
befolgten auf der Stelle dem Befehl. Angestrengt horchten sie in die Schwärze.
»Da, hört ihr es? Löwen!«
Und Jill hörte es, das tiefe abgehackte Röhren, das von überall her zu kommen schien. Sie war Afrikanerin, war mit regelmäÃigen Besuchen in den groÃen Nationalparks Afrikas aufgewachsen, lebte seit eineinhalb Jahrzehnten in ihrem eigenen Wildreservat zwischen Raubkatzen, Elefanten und Hyänen, aber immer noch lieà ihr das urweltliche Gebrüll eines Löwen die Haare zu Berge stehen.
»Es sind mehrere«, wisperte sie. »Sie müssen ganz in der Nähe sein, und sie sind wegen irgendetwas aufgeregt.« Sie hoffte, dass die Löwen sich tatsächlich hinter Gittern befanden. Kira zitterte in ihrem Arm, und sie zog sie fester an sich. Auch die Mädchen drückten sich ängstlich an sie. War das nur eine normale Reaktion? Oder hatte Pienaar � Sie konnte den Gedanken einfach nicht zu Ende denken.
Nils zog die Brauen zusammen. »Ich kann einfach nicht einschätzen, wo und in welcher Entfernung sich die Löwen befinden«, sagte er. »Ich bin eben kein Afrikaner. Wie weit sind die weg?«, fragte er seine Frau leise.
Jill sah zu ihm hoch. »Eineinhalb Kilometer, vielleicht auch zweieinhalb, aber nicht mehr. Und es kommt von dort.« Sie zeigte nach Nordosten.
»Okay«, sagte Dirk und straffte sichtbar seine muskulösen Schultern. »Ich muss mich entscheiden, also gehe ich nach Nordosten. Vielleicht stöbere ich Pienaar dort auf. Und der wird mir schon sagen, wo ich sie finden kann, darauf könnt ihr euch verlassen.« Seine Fäuste öffneten und schlossen sich.
Jill bemerkte es und glaubte ihm aufs Wort. »Ruf uns bitte sofort an, versprochen?« Sie küsste ihn auf die Wange. »Alles Gute. Melde dich regelmäÃig. Ach ja, und richte deinen Scheinwerfer so, dass er nur auf den Boden leuchtet. Sonst warnst du Pienaar wohlmöglich.«
Wenn er denn überhaupt auf der Farm war, fuhr es Dirk durch den Kopf. Wenn er Anita nicht längst weggeschafft hatte.
Für Sekunden sah er die Szene auf seinem inneren Monitor. Pienaar, der Anita erbarmungslos vor sich hertrieb. Pienaar, der sie in einen Lastwagen verlud. Pienaar, der seine Anita irgendwo über die Grenze nach Simbabwe oder Mosambik in den Bauch von Afrika schaffte oder von da aus vielleicht auf ein Schiff verfrachtete, um sie zu irgendeinem Bordell ⦠Anita, leblos â¦
Er riss sich mit Gewalt zusammen und stoppte seinen inneren Amoklauf und knipste den Handscheinwerfer an. Dann winkte er seinen Freunden noch einmal zu und ging los.
»Hamba kahle«, flüsterte Kira.
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Der Regen war wieder stärker geworden, fiel als Wasserfall vom Himmel, sammelte sich rasch in Rinnen und Senken, Furchen wurden zu strudelnden Rinnsalen, der schmale Pfad wurde zu einem reiÃenden Bach. Das Wasser ging Dirk meist bis zu den Knöcheln, lief ihm gelegentlich aber auch oben in seine Buschstiefel. Bald waren seine FüÃe durchnässt, und er spürte, wie er sie allmählich wund scheuerte, was er jedoch eisern ignorierte. Ebenso eisern igonierte er, dass das Pflaster auf der Wunde an seinem Schienbein nass geworden war und Blut hindurchsickerte.
23
N apoleon de Villiers hatte den Fernseher eingeschaltet. Er wollte die Nachrichten sehen und reagierte deshalb grantig, als Vilikazi Dumas Anruf ihn dabei störte. Wie es seine Art war, schnauzte er erst einmal los, aber je länger Vilikazi sprach, desto leiser wurde er, bis er schlieÃlich schweigend zuhörte.
Als sein alter Zulu-Freund ihn fragte, ob er helfen würde, stimmte er, ohne zu zögern, zu. Natürlich. Man war hier in Afrika, da half man sich als Nachbarn, schon allein weil man vielleicht bald selbst die Hilfe brauchen könnte. Obwohl die Sache, um die ihn Vilikazi bat, schon ziemlich heikel war.
Er starrte blicklos auf den Bildschirm, auf dem ein Film über die wundersame Rettung einer Familie flimmerte, die sich in der Namibwüste verirrt hatte. Während er mit den Fingern auf den Armlehnen seines Ohrensessels trommelte, überlegte er, wie er das Ganze anpacken sollte. Sollte er gleich mit Lia sprechen oder erst Nils warnen, dass der erste Mann, den Vilikazi mit einem speziellen Auftrag auf Lias Farm gesandt hatte, nicht, wie ursprünglich angenommen, gefunden und zurückgepfiffen worden war und dass er obendrein auf Anrufe nicht reagierte? Und
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