Jenseits von Timbuktu
in der er sich sammeln kann, während man eine Falle oder einen Angriff vorbereitet.« Wie immer trug er nur Schwarz und verschwand optisch hinter dem schimmernden Regenvorhang. Nur das Weià seiner Augäpfel und seiner ebenmäÃigen Zähne schwebten körperlos im Dunkel.
Nils bedachte ihn mit einem prüfenden Blick aus den Augenwinkeln. »Und was ist das für eine Ausbildung gewesen?«
Wilson grinste wieder und hob die Schultern. »Ach, Armee und so.«
»Aha«, sagte Nils. »Und so.« Man sah deutlich, dass er die Erklärung für dürftig hielt und weiterbohren wollte.
Dirk war mit gesenktem Kopf und Verzweiflung in den Augen wieder aus dem Haus gekommen. Er lehnte im strömenden Regen an der Hauswand und starrte auf die Rinnsale, die den Weg hinunterstrudelten. Niemand nahm Notiz von ihm.
»Wir haben keine Zeit zu plaudern«, verkündete Jill. »Los, wir bringen die Kinder zurück zur StraÃe und dann nach Hause. Da sind sie in unserem Wagen wenigstens im Trocknen, während wir auf Philani warten.« Sie winkte mit ihrem Handscheinwerfer, ohne den sie in der dichten Vegetation dieses Teils der Farm kaum etwas erkennen konnten. »Auf gehtâs!«, rief sie beschwingt. »Lasst uns â¦Â«
Dirk schnitt ihr das Wort ab. »Ruhe!«, rief er, und als er die Aufmerksamkeit aller hatte, fuhr er fort. »Anita ist nicht da drinnen. Ich will wissen, ob jemand von euch irgendeine Spur von ihr gesehen hat?«
Nils starrte ihn betroffen an. »Herrgott, entschuldige, ich hatte sie ganz vergessen ⦠Kira ⦠Es tut mir leid.« Er machte eine hilflose Handbewegung. »WeiÃt du, wo Anita ist?«, fragte er Kira. »Sie könnte hier gewesen sein. Habt ihr sie gesehen?«
Kira machte sich aufgeregt von ihrer Mutter los. »Ja, wir waren zusammen, und dann hat der Schweinekerl sie weggeschleppt, in den Busch, glaub ich, aber ich weià es nicht genau«, flüsterte sie. »Er war wütend, weil sie etwas zu essen für uns haben wollte ⦠und Verbandszeug für mein Bein, und weil wir gesungen haben ⦠und weil sie so laut geschrien hat. Er war furchtbar wütend.« Ihr kullerten die Tränen über die Wangen.
Dirk hockte sich vor sie und streichelte ihr übers Haar. »Wie lange ist das her, Kira? Kannst du das schätzen?«
Kira blickte ihn unsicher an und darauf die Mädchen. Sie übersetzte ihnen die Frage.
Nyasha zuckte hilflos mit den Schultern. »Vielleicht eine Stunde«, sagte sie in stockendem Englisch. »Aber vielleicht auch
nicht. Vielleicht war es länger? Es war noch nicht ganz dunkel.« Sie hob entschuldigend die Hände.
Eine Stunde oder auch mehr. Dirk war blass geworden. Wie gut war das Zeitgefühl eines verängstigten kleinen Mädchens? Eine Stunde, das hieÃ, dass Anita überall sein konnte. Noch auf dem Farmgebiet oder irgendwo sonst. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich von hier aus durch den Busch zu tasten.
»Gut. Ich werde sie suchen, und zwar, bis ich sie finde.« Er zog sein Mobiltelefon heraus. »So, das ist wieder auf laut gestellt, ihr könnt mich also jederzeit erreichen.«
Nils, der wie Jill ebenfalls den Klingelton seines Telefons aktivierte, sah sie fragend an. Nach kurzem Zögern nickte sie. »Ich komme mit dir«, sagte Nils darauf. »Wilson bleibt bei Jill.«
»Red keinen Quatsch. Du verlässt deine Familie jetzt nicht. AuÃerdem ist es mir lieber, wenn ich allein losgehe. So bin ich schneller, und keiner hindert mich, meinem Instinkt zu folgen. Wie du dich vielleicht erinnerst, war der mal ziemlich gut.«
Nils diskutierte mit ihm noch hin und her, bis Jill eingriff. »Hör auf, Honey, halt Dirk nicht länger auf. Du würdest auch lieber allein losgehen, wenn ich verschwunden wäre, und jetzt zählt jede Minute. Im Handschuhkasten meines Wagens liegt meine Auto-Pistole.« Sie sah den Kameramann an. »Wilson wird sie holen, damit kannst du dich wenigstens wehren.«
Aber Dirk winkte ab. »Danke, aber ich bin kein guter Schütze. Eine Waffe in meiner Hand könnte sich als Handicap herausstellen. Am Ende erschieÃt mich noch jemand mit meiner eigenen Pistole. Es ist besser, wenn ich ohne Waffe losziehe, allein, und zwar auf der Stelle.«
Wilson stoppte ihn unvermittelt. »Hört ihr es?«, flüsterte er. »Macht die Lampen aus. Schnell.«
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