Jenseits von Timbuktu
wie sollte er erklären, dass überdies der, der ihn suchen und aufhalten sollte, sich trotzdem noch immer auf der Farm aufhielt und offenbar ebenfalls sein Handy abgestellt hatte?
Den Ersten, den Vilikazi ausgesandt hatte, kannte er nicht, aber den Zweiten. Er war ein Mann, gebaut wie ein Schrank, ein Zulu, laut Vilikazi, Sohn eines der ältesten Clans des Landes. Kwezi nannte er sich. Morgenstern. Ob das der Name war, den ihm seine Eltern gegeben hatten, wusste er nicht, war aber möglich.
Zulus gaben ihren Kindern oft Namen, die mit der Uhrzeit ihrer Geburt zusammenhingen. Aber das war unerheblich. In dem Geschäft, dem dieser Mann nachging, waren Namen unwichtig. Meist waren sie ohnehin falsch. Seit Kwezi vor wenigen Jahren als einer der letzten Widerstandskämpfer aus dem Exil zurückgekehrt war, hatte er ihn nur wenige Male gesehen. Einmal mit freiem Oberkörper, und das Bild hatte er nie vergessen.
Vom Nacken an war Kwezis Rücken über die ganze Länge gänzlich mit gitterförmigen, wulstigen Narben bedeckt, die sich, wie der Zulu nebenbei erwähnte, unter seinem Gürtel fortsetzten. Auf seine schockierte Frage, wer ihm das angetan habe, hatte Kwezi träumerisch in die Ferne geschaut. »Ich bin gekommen, um ihn zu sehen«, hatte er geantwortet und dabei heiter gelächelt.
Kwezis Ton allerdings hatte ihm trotz des Lächelns einen Schauer über die Haut gejagt, und er pries sich insgeheim glücklich, dass er nicht in dessen Visier geraten war. Eigentlich hatte er angenommen, dass der Zulu sich inzwischen längst zur Ruhe gesetzt hatte. Irgendwo in Zululand auf einem schönen Stück Land mit einer ordentlichen Herde Rinder und mindestens einer hübschen jungen Frau und einer groÃen Schar Kinder, die ihm sein Alter erleichtern würden. Aber offenbar war dem nicht so. Und nun war Kwezi hinter Len Pienaar her, der dem ursprünglichen Gerichtsurteil nach bis zum Jüngsten Tag im Gefängnis hatte verrotten sollen  â eine Tatsache, die er mit einer Flasche Mouton Rothschild ganz allein für sich gefeiert hatte  â, aber kürzlich höchst überraschend freigekommen war. Auch das hatte ihm Vilikazi mitgeteilt und weiter angedeutet, dass Kwezi noch eine Rechnung mit Pienaar offen habe.
»Pienaar hat ihn mit der Nilpferdpeitsche verprügelt, bis sein Rücken und sein Gesäà nur noch eine blutige Masse waren, und dann hat er Säure in die Wunden gegossen« war die in sachlichem Ton gehaltene Erklärung Vilikazis gewesen.
Auf diese Weise hatte er erfahren, wem der Zulu die grauenvollen Narben zu verdanken hatte. Nun war es auch so, dass er, Napoleon de Villiers, ebenfalls persönlich eine ganz besondere Beziehung zu dem ehemaligen Folterknecht der Apartheid-Regierung hatte. Eine lange, buckelige Narbe an seiner linken Schulter und eine weitere quer über seiner Bauchdecke zeugten davon. Kwezis Narben waren ein rosafarbenes Gitter, seine wie dicke weiÃe Schlangen. Hübsch anzusehen waren beider Narben nicht, aber sie hielten die Erinnerung wach.
Seine Finger trommelten schneller. Er erwog, Kwezi einfach gewähren zu lassen. Das Ergebnis würde mit Sicherheit eine Wohltat für die Menschheit sein. Im ganzen Land würden Freudenfeuer angezündet werden, dessen war er sich sicher, und eines davon würde er selbst entfachen. Ein sehr groÃes. Und einen weiteren Mouton Rothschild aufmachen.
Gefangen in der Hölle seiner eigenen Erinnerungen an Len Pienaar, starrte er auf den Fernseher.
Dort lief gerade der Wetterbericht. Das Unwetter, das drauÃen tobte, geisterte als violettgrauer Klecks über den Bildschirm, aber danach schien sich ein Hoch von Norden übers Land zu schieben, und das verhieà Hitze. Und zwar höllische. Er seufzte und hörte auf zu trommeln.
»Chrissie!«, brüllte er. »WeiÃt du, wo meine Buschstiefel sind? Ich muss noch mal weg.«
Chrissies besorgte Fragen, wohin er um diese Zeit noch gehen müsse, bei diesem Gewitter, auÃerdem sei es doch schon praktisch dunkel, und vor allen Dingen, wieso er Buschstiefel brauche, beantwortete er nur ausweichend. Unter ihren bekümmerten Blicken kleidete er sich rasch um. Er wählte ein schwarzes, lockeres Hemd und dunkle Jeans. Dunkle Kleidung hielt angriffslustige Moskitos ab, davon war er überzeugt, auch wenn die Experten da geteilter Meinung waren. Meist wurden helle Stoffe empfohlen. Die
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