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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Nicht nur einmal hatte Jill die Augen eines ihrer weiblichen Gäste mehr als wohlwollend auf ihm ruhen sehen.
    Â»Was ist passiert?«, rief er.
    Sie berichtete ihm mit knappen Worten, was sie glaubte gesehen zu haben. »Es war ein Kind oder zumindest ein kleiner Mensch, da bin ich mir sicher. Wir müssen die Gegend durchsuchen. Wer von unseren Rangern ist erreichbar?«
    Â»Mark und Musa, alle anderen sind mit Touristen auf Safari.«
    Musa war Philanis Bruder. Ihr Vater Dabulamanzi, Jills ehemaliger Gärtner, war vor einigen Jahren gestorben. Der Name Dabulamanzi bedeutete, dass sein Träger die Wellen des Wassers teilen konnte. Da er der Erste seines Stammes gewesen war, der Schwimmen gelernt hatte, hatte man ihm diesen Namen verliehen. Sein Schwimmstil war eigenartig gewesen. Die großen Hände wie Schaufelräder nutzend, mit den Beinen stampfend wie das Kolbengestänge einer Maschine, bewegte er sich
durchs Wasser. Berührte Dabulamanzi mit diesen groben Händen jedoch eine leidende Pflanze, schien sie sich ihm zuzuwenden und von da an zu gedeihen. Er hatte das Gärtnern von Jills Großmutter gelernt, aber ohne sein außergewöhnliches Talent wäre er nie der begnadete Gärtner geworden, der mit ihr Inqaba in ein Paradies verwandelt hatte. Seine Söhne hatten seine Liebe zur Natur geerbt, allerdings hegten und pflegten sie die Tierwelt Inqabas .
    Â»Okay, du rufst deinen Bruder und Mark an. Sie sollen so schnell wie möglich herkommen. Wir müssen dieses Kind finden.« Mit diesen Worten nahm sie das Funkgerät aus der Halterung und drückte eine Taste. »Jonas, bitte kommen.«
    Sie kannte Jonas Dlamini, den Enkel von Nelly, ihrem ehemaligen Kindermädchen, seit er auf der Welt war. Als sie ihr Wildreservat aufbaute, war er ein arbeitsloser Bauingenieur auf Jobsuche gewesen, in einer Zeit, wo es keine Jobs gab. Schon gar nicht für Bauingenieure mit schwarzer Hautfarbe. Da sie ihm nur ein kleines Gehalt bezahlen konnte, war sie darauf vorbereitet gewesen, dass er, nachdem die Apartheidregierung zu existieren aufgehört hatte und Schwarze gleiche Rechte bekommen hatten  – oft gleichere als Weiße, was ja nach der Geschichte ihrer Unterdrückung verständlich war  –, aufgrund seiner Qualifikation bald eine gut bezahlte Stellung in seinem Fachbereich finden würde. Südafrika brauchte Millionen bezahlbare Häuser für die schwarze Bevölkerung. Er hätte sich eine goldene Nase verdienen können. Und ein dickes Bankkonto, einen Ferrari und ein großes Haus. Unter anderem. Aber er hatte sich nicht einmal darum bemüht, sondern war geblieben, und jeden Tag dankte sie der Vorsehung dafür, die ihn geschickt hatte. Ohne sein Organisationstalent, die Gewissenhaftigkeit, mit der er die Bücher in Ordnung hielt, sein hartnäckiges Verhandlungsgeschick mit Lieferanten und nicht zuletzt seinen Charme, der die Gäste bezauberte, würde Inqaba im Chaos versinken. Sie war eine leidenschaftliche
Gastgeberin, betrachtete fast alle Besucher auf Inqaba als Freunde, kannte viele seit mehr als zehn Jahren, aber manchmal rutschte auch ihr das Gastgeberinnenlächeln aus dem Gesicht, und dann war Jonas zur Stelle und rettete die Situation.
    Gerade als sie noch einen Ruf nach ihm aussenden wollte, meldete er sich. »Was ist, Jill? Ich habe gleich einen Termin beim Steuerberater und bin schon etwas spät dran.«
    Â»Hast du Kira und Luca gesehen?« Sie stellte die Frage bewusst in beiläufigem Ton, aber ihr Herz hämmerte.
    Für ein paar Sekunden war nur ein Knistern zu hören. »Nein, nicht seit dem Frühstück. Soll ich Duduzile fragen?«
    Duduzile war ihr Kindermädchen, das besonders jetzt in den Schulferien mit ihren quirligen Kindern alle Hände voll zu tun hatte.
    Â»Ja, bitte«, sagte sie erleichtert. Jonas hatte offenbar gemerkt, wie besorgt sie in Wirklichkeit war. Er besaß die seltene Gabe, hinter den Wortvorhang sehen zu können, den Menschen benutzten, um ihre wahren Gefühle zu verbergen.
    Â»Gut. Ich ruf gleich zurück.«
    Jill ließ die Taste los, behielt das Funkgerät aber in der Hand und wandte sich an Philani. »Wir müssen im Umkreis von mindestens einem Kilometer suchen. Gott sei Dank fällt diese Filmcrew erst übermorgen auf Inqaba ein, und das wird einen fürchterlichen Aufruhr geben. Da kann ich keine anderen Komplikationen gebrauchen.«

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