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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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befanden sich die jeweiligen Schauspieler in der Karibik, am Strand von Neuseeland oder in den Sanddünen von Marokko. Ihre naive Vorstellung, dass bei Filmen auch dort gedreht worden war, wo die Geschichte spielte, war kaltherzig zerstört worden. Irgendwie fühlte sie sich betrogen.
    Â»Stehen Sie mal auf, ich muss den Stuhl einpacken«, sagte eine tiefe Stimme neben ihr.
    Sie stand auf, trat zur Seite und lehnte sich an den Stamm eines abgestorbenen Baums. Mit geübten Griffen klappte der Mann ihren Stuhl zusammen, schloss den Sonnenschirm und löste ihn aus seiner Halterung. Den Schirm geschultert, den Stuhl unter den Arm geklemmt, packte er zusätzlich eine schwere Kabelrolle und brachte sie hinüber zu seinen Kollegen, die die Sachen im Transporter verstauten.
    Â»In einer Stunde fahren wir«, sagte Flavio Schröder im Vorbeigehen. Das weiße Haar fiel ihm in die Stirn, und als er die Sonnenbrille abnahm, traf sie ein kühler, grauer Blick.
    Sie nickte. Diese Nacht würden sie im einzigen Hotel von Pofadder verbringen, weil es zu spät war, noch in das zweihundert Kilometer entfernte Upington zu fahren. Kein Mensch unternahm hier nachts freiwillig eine Überlandfahrt, das hatte sie schon mehrfach gehört. Von dort ging morgen ihr Flug über Johannesburg nach Durban. Zum Abschied schaute sie sich noch einmal um. Die Sonne war hinter den Horizont geglitten, die
kurze Abenddämmerung verzauberte die karge Landschaft. Der Himmel schimmerte in jenem hellen Türkis, das dem tiefen Blau der Nacht vorausging. Die rostrot glühende afrikanische Erde erinnerte noch an den Sonnenuntergang, Geröll und Felsen warfen rauchgraue Schatten. Fasziniert beobachtete Anita das impressionistische Farbenspiel.
    Und dann war es dunkel, so plötzlich, als hätte jemand einen Samtvorhang vorgezogen. Ihr Blick glitt hinauf zu dem diamantbesetzten Sternenhimmel. Es waren wohl Augenblicke wie diese gewesen, die das Afrika ihrer Eltern ausmachten. Und abermals drifteten ihre Gedanken ziellos durch das dunkle Meer ihrer Erinnerungen.
    Â 
    Â»Wir fahren, Anita!«
    Die hohe Stimme der Regieassistentin ließ sie hochzucken. Verwirrt schaute sie sich nach Jasmin Krüger um. Im ersten Moment konnte sie die Verbindung zur Wirklichkeit nicht herstellen. Erst allmählich nahm sie ihre Umgebung wieder wahr.
    Â»He, Anita, hier sind wir!«
    Endlich entdeckte sie die Regieassistentin. Sie lehnte aus dem Fenster des luxuriösen Geländewagens, in dem bereits Flavio Schröder, Marina Muro und der Kameramann mit seinem Assistenten saßen.
    Â»Ich komme.« Anita machte einen Schritt, schwankte dabei, als wäre sie betrunken, und musste ein paar Sekunden warten, ehe die Welt aufhörte, sich zu drehen. Ihr Blutdruck war der stundenlangen Hitze offenbar nicht gewachsen gewesen und in den Keller gefallen.
    Flavio Schröder ließ mit irritiertem Ausdruck sein Fenster herunter und streckte den Kopf heraus.
    Â»Sie sehen aus wie Sauermilch«, brüllte er. »Haben Sie etwa doch einen Sonnenstich? Kommen Sie her, sonst kippen Sie uns
noch um. Dazu haben wir keine Zeit.« Ungeduldig ließ er das Fenster wieder hochschnurren.
    Anita riss sich zusammen. Mit weichen Knien lief sie zum Auto und rutschte neben Dirk Konrad auf die rückwärtige Sitzbank. Selbst als sie saß, war ihr noch immer schwindelig. Sie zwang sich, langsam tief ein- und auszuatmen.
    Â»Eigentlich sollten es doch ausgerechnet Sie besser wissen, als sich dieser brutalen Sonne auszusetzen«, knurrte der Kameramann mit einem Seitenblick auf ihr blasses Gesicht. »Schließlich sind Sie oft genug in Afrika.«
    Sein Ton war spöttisch und autoritär. Sie musterte ihn schnell. Attraktiv, fuhr es ihr durch den Kopf. Dreitagebart, der aber zu seinem Typ passte, der Teint unter dem kurzgeschnittenen schwarzbraunen Haar tief gebräunt, was seine blauen Augen besonders zum Leuchten brachte. Entfernt ähnelte er Frank. Aber der hatte blondes Haar gehabt, und autoritär war er wahrhaftig nicht gewesen.
    Â»Ich war noch nie in Afrika.« Es war ihr herausgerutscht, und am liebsten hätte sie die Worte sofort wieder heruntergeschluckt.
    Konrad schaute erst überrascht, dann lachte er ungläubig auf. »Das war ja wohl ein Scherz, oder?«
    Â»Ist aber so.« Sie wünschte, dass er sie in Frieden lassen würde. Die Bilder, die ihr gedanklicher Ausflug in die Vergangenheit

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