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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Eltern waren starr vor Angst, hielten sich an den Händen, klammerten sich wie Ertrinkende aneinander. Das kleinste Jungtier, ein übermütiger Elefantenjunge, wagte sich dicht an Kira heran und untersuchte Jetlag mit seinem Rüssel, rupfte unartig an dessen jämmerlichen Schwanzfedern. Der Gockel strampelte wütend. Jill japste. Kira schimpfte vernehmlich.
    Â»Ich muss jetzt nach Hause«, verkündete sie den Elefanten und marschierte los.
    Der Elefantenjunge trabte hinter ihr her, worauf zwei der Elefantenkühe sofort ein paar Schritte vorwärts machten und warnend die Ohren aufstellten, was Nils einen plötzlichen Schweißausbruch bescherte und ihn dazu veranlasste, sein Gewehr zu heben.
    Jill drückte den Lauf herunter. »Lass das, sonst löst du eine Katastrophe aus. Warte.« Gebannt beobachteten sie ihre Tochter, die ohne irgendein Anzeichen von Furcht auf den flachen
Abhang zuging, der zu ihnen hochführte. Nach wenigen Metern war sie kurzfristig ihren Blicken entzogen. Nils reckte sich hoch, wollte schon aufstehen, aber Jill hinderte ihn abermals daran.
    Â»Ganz ruhig«, hauchte sie. »Wenn sie uns zu früh entdeckt, wird sie rufen und zu uns rennen …« Sie brach ab. Die Anspannung in ihren Zügen sprach Bände.
    Die Matriarchin machte einen weiteren Schritt auf Kira zu und schwang leise schnaufend den Rüssel.
    Nils spürte, dass Jill zusammenfuhr.
    Â»Was ist?«, flüsterte er.
    Â»Es ist diese Bewegung … das Schnaufen …«, flüsterte sie. »Es versetzt mich zurück in meine Kindheit, als ich mich als kleines Mädchen einmal nach Umfolozi verirrt hatte und in eine Elefantenherde geraten war.«
    Nils schaute sie gebannt an. »Davon hast du mir nie erzählt. Wann war das?«
    Â»Es ist sehr lange her. Ich muss noch ziemlich klein gewesen sein, denn ich habe ihnen nicht einmal bis zum Bauch gereicht. Und die Leitkuh dort kenne ich. Sie hatte damals eine frische Kugelverletzung am Oberschenkel und tat mir furchtbar leid. Ben Dlamini hatte mir beigebracht, dass man auf Wunden Schlamm schmieren sollte, also habe ich das bei ihr gemacht. Erst schlug sie aufgeregt mit den Ohren, aber dann hat sie es zugelassen.
    Genau wie bei Kira jetzt, haben mich die Kühe beschnuppert und ein bisschen geschubst, und ich habe mich nicht einen Augenblick lang gefürchtet. Mir war nicht klar, dass sie mich mit einem Tritt hätten zu Brei zermalmen können. Ich stand da mitten unter den grauen Riesen, hörte das beruhigende Rumpeln ihrer Bäuche und bewunderte ihre sanften Augen mit den langen Wimpern, während sie mich aufmerksam beobachteten. Als ich meine Orientierung wiedergefunden hatte und mich auf den
Weg zu unserer Farm machte, hat mich die Herde in gleichbleibendem Abstand begleitet, bis ich an Inqabas Zaun angekommen war. Dann sind sie friedlich weitergezogen. Als ich meinen Eltern davon erzählt habe, sind sie nachträglich fast vor Angst gestorben. Kira wird nichts passieren, glaube mir.«
    Nils sah den schnellen Pulsschlag in ihrer Halsgrube. So sicher, wie sie geklungen hatte, war sie sich wohl selbst nicht.
    Philani beugte sich aufgeregt vor. »Da ist unser itshitshi .« Er deutete auf die Kante des Abhangs, wo ein schwarzbrauner Lockenkopf wie eine exotische Blume aus dem Schatten einer Krüppelpalme wuchs. »Sie ist in Sicherheit!« Sein schneeweißes Grinsen glänzte in der Dunkelheit.
    Nils spannte die Muskeln, um aufzuspringen, aber seine Frau packte seinen Arm. »Warte«, flüsterte sie. »Der Abhang hat einen leichten Überhang, die Leitkuh wird ihre Familie nur hinaufführen, wenn sie es muss. Noch kann ein lautes Rufen von Kira sie aufscheuchen. Oder andere Buschbewohner.«
    Nils sank zurück. Auch er wusste, dass jede ihrer Bewegungen hier in der Wildnis von vielen Augen beobachtet wurden. In der zunehmenden Dunkelheit waren aber außer den Elefanten jetzt lediglich ein paar blau schillernde Dungkäfer zu sehen, denen ihre Anwesenheit allerdings völlig egal zu sein schien.
    Kira erreichte eben die Kuppe des Abhangs. Mit einem Klick schaltete Jill ihr Suchlicht ein und gab es Philani, der seines ebenfalls anmachte. Wie bleiche Finger tasteten sich die Strahlen der Scheinwerfer durch die sich rasch verdichtende Dunkelheit hinüber zu Kira, die jetzt das Gesicht hob und geblendet ins Licht blinzelte.
    Jill sprang aus dem Wagen und lief los, dicht gefolgt

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