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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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Glück je zerstören würde. Wie leicht das geschehen konnte, hatte sie selbst erlebt.
    Ihr Blick lief in die Dunkelheit zu dem gegenüberliegenden Hügel, dessen Kuppe als scharfe Linie vor dem nachtblauen Himmel stand, und zu dem Tibouchinabaum, den sie nur noch als schwarzen Scherenschnitt erkennen konnte. Er wuchs auf dem Grab Christinas, ihrer Tochter, die gestorben war, bevor sie hatte leben können. Der Grabstein daneben, unter dem Martin lag, ihr erster Mann, und der zur Linken, unter dem ihre Mutter ihre letzte Ruhe gefunden hatte. Der Tibouchina war über und über mit Knospen bedeckt. In ein oder zwei Wochen würde er wie eine leuchtend rosa Fackel vor dem weiten Himmel glühen. Dann würde sie wieder daran denken müssen, dann brauchte sie ihre Kinder und ihren Mann, um ihr seelisches Gleichgewicht wiederzugewinnen. Nils hatte das schnell begriffen. Für die Wochen der Blütezeit des Tibouchinas blieb er auf Inqaba und lehnte alle Reportageaufträge ab, die eine Reise erfordern würden. Mit einer heftigen Aufwallung nahm sie unter dem Tisch seine Hand. Er erwiderte ihren Druck und streichelte mit dem Daumen ihre Handfläche.
    Nachdem die Farmarbeiter alles gegessen hatten, was auf dem
Tisch stand, zum Schluss die Teller noch mit Brot ausgewischt und die Reste des Biers getrunken hatten, erhob sich einer nach dem anderen und bedankte sich bei Jill. Laut und vergnügt miteinander redend, verließen sie schließlich zusammen die Terrasse. Ihr Zulu war eine Melodie aus gutturalen Lauten, klaren Klicks und lang gezogenen dunklen Vokalen, ihre tiefen Stimmen flossen so cremig wie dicker Honig. Es war die Hintergrundmusik, die Jill seit ihrer Geburt begleitete, die zu ihrem Gefühl von Heimat genauso gehörte wie Inqabas Landschaft und das abendliche Konzert der Nachttiere.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass ihre Safari-Gäste, die schon seit Beginn des Essens die Szene neugierig beobachtet hatten, angestrengt lauschten. Sie besann sich ihrer Gastgeberinnenrolle, stand auf und ging hinüber zu ihnen, zog einen Stuhl heran und erzählte ihnen, was passiert war, beschrieb in farbigen Worten Kiras Begegnung mit den sanften Riesen, und alle am Tisch hingen verzückt an ihren Lippen.
    Â»Meine Güte«, rief eine stämmige Dame in einem Designer-Safarianzug. »Mit dieser Geschichte werde ich ganze Partys unterhalten können. Die Elefanten haben Ihre Tochter gekitzelt? Unglaublich!« Sie klimperte mit ihren goldenen Armreifen. »So riesig wie die sind, wäre ich schreiend davongelaufen. Ihre Tochter ist wirklich ein tapferes Mädchen.«
    Â»Vielleicht kann sie mit den Tieren reden?« Die Frau, die das fragte, hatte eine sanfte Stimme, sanfte blaue Augen und einen sehr sanften, romantisch verklärten Gesichtsausdruck. Hingebungsvoll schaute sie zu ihrem Mann hinüber. Sie befanden sich auf Hochzeitsreise, wie sie Jill erzählt hatte. Ihr Mann, ein schlaksiger, sportlicher Typ, streichelte ihr übers Haar.
    Â»Mein Zuckermäuschen, kein Mensch kann wirklich mit Tieren reden …«
    Â»Da muss ich aber protestieren!« Der Gast zur Linken der jungen Frau trug einen grauen Kinnbart, eine Brille mit kleinen runden
Gläsern und eine vom Sonnenbrand flammend rote Glatze. »Es ist durchaus möglich, mit Tieren zu kommunizieren.«
    Â»Ach bitte, erklären Sie uns das doch, Professor«, hauchte die Sanfte.
    Â»Gerne.« Der Professor lehnte sich mit geschmeicheltem Ausdruck vor und stützte das Kinn auf die gefalteten Hände. »Es ist so: Es gibt Forschungsergebnisse«, hub er an, »die beweisen …«
    Jill stand auf und entfernte sich leise. Diese Diskussion würde bis in die Nacht dauern und vermutlich ausgiebig begossen werden. Sie gab Thabili ein Zeichen, die daraufhin sofort zum Tisch eilte und nach den weiteren Wünschen der Gäste fragte. Schließlich musste sie ans Geschäft denken, und bei den Drinks verdiente sie gut.
    In dieser Nacht ließen die Rogges ihre Hunde Roly und Poly, zwei Dobermänner mit einem Spezialtraining, frei im Haus laufen. Es war der beste Schutz, den es gab, und schon so lange Jill zurückdenken konnte, hatte es immer zwei ebenso ausgebildete Dobermänner mit diesen Namen auf Inqaba gegeben. Das feine Gehör, die Furchtlosigkeit und ihre unerschütterliche Loyalität ihrer Menschenfamilie gegenüber machte sie zu den besten Wachhunden, die

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