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Jenseits von Timbuktu

Jenseits von Timbuktu

Titel: Jenseits von Timbuktu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gercke Stefanie
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wusste Nils, dass ihm nichts entging, nicht die geringste Bewegung.
    Jill nickte. »Wie Philani sagt. Langsam. Lass uns einen Bogen schlagen, um ans Wasserloch zu gelangen. Es liegt näher am Haus. Ich glaube nicht, dass Kira sich so weit entfernt hat.«
    Behutsam steuerte Nils den großen Wagen die abschüssige Straße hinunter, durch eine Senke und umfuhr danach den Ausläufer eines Hügels in Richtung Lodge. Schweigend und hoch konzentriert suchten sie die Umgebung ab.
    Â»Stopp«, befahl Philani plötzlich, als sie sich einem Tümpel näherten, in dem das letzte Wasser eines Seitenarms des Krokodilflusses zusammengelaufen war. »Ich höre etwas.«
    Nils bremste weich und schaltete die Zündung aus. Obwohl der Motor leise tickte, hörten sie das Geräusch trotzdem, und was sie vernahmen, verschlug ihnen den Atem.
    Kiras klare Stimme schwebte in der weichen Abendluft zu ihnen herauf. Sie schimpfte, laut und vernehmlich. »Wenn du noch einmal abhaust, Jetlag, steck ich dich in die Suppe, und vorher schneid ich dich in ganz kleine Stücke. Ich schwör’s. Papa sagt das auch immer. Also, denk dran, noch mal, und es geht ab in die Suppe … Blöder Gockel!«, setzte sie in einer exakten Kopie ihres Vaters hinzu.
    Nils bekam weiche Knie. Tränen schossen ihm in die Augen. »Meine Kleine«, flüsterte er rau und wischte die Nässe mit dem Handrücken weg. Angestrengt starrte er in die Richtung, aus der Kiras Stimme gekommen war.
    Â»Verdammt, da ist auch die Herde«, raunte Jill. »Direkt vor uns, dort am Tümpel.«

    Â»Eh, indlovu, bayete!« Philani entbot den Elefanten leise und voller Respekt den Gruß der Könige.
    Jill leckte einen Finger an und hob ihn hoch. »Wir haben den Wind von vorn. Sie können uns nicht wittern. Gott sei Dank. Aber wo ist Kira?«
    Es dauerte eine Weile, bis auch Nils durch die belaubten Zweige die grauen Leiber erkennen konnte. Er zählte, verzählte sich, zählte noch einmal. Zwanzig Mitglieder umfasste die Herde etwa. Offenbar alles Weibchen mit mehreren Jungen, und selbst er wusste, dass Weibchen mit Jungen gefährlicher waren als jeder Bulle mit Zahnweh. Sein Puls beschleunigte sich. Er ließ die Elefanten nicht aus den Augen.
    Im rosa Widerschein der versunkenen Sonne bewegten sich die grauen Kolosse gemächlich am Flussufer entlang, tranken hier und da aus Pfützen, die sich im Schlamm gebildet hatten, und rupften das grüne Gras ab, das am Rand der Tümpel gedieh. Andere rissen belaubte Zweige von den Büschen herunter, schoben sie sich mit dem Rüssel ins Maul und kauten mit ihren riesigen Backenzähnen hörbar und offensichtlich voller Genuss darauf herum. Die Jungen jagten sich gegenseitig, Rüssel in die Luft gestreckt, Pinselschwänze hoch aufgerichtet, oder wälzten sich im Schlamm und bespritzten sich von oben bis unten, wobei sie vor Vergnügen grunzten.
    Eine idyllische Szene, dachte Nils, wenn man vergaß, dass ausgewachsene Elefanten bis zu siebeneinhalb Tonnen wiegen konnten und völlig unberechenbar waren.
    Und dann sah er das rosa T-Shirt seiner Tochter im schwindenden Licht leuchten.
    Ihm stockte das Herz. Der Tümpel in ihrer Nähe reflektierte den noch hellen Himmel. Er konnte deutlich erkennen, dass Kira Jetlag unter einen Arm geklemmt hatte. In der anderen Hand hielt sie ein Büschel Gras, das sie einem Elefanten entgegenstreckte. Es war ein furchterregend riesiges Tier, wohl das älteste
der Herde, dessen runzliger Körper Narben trug, die nur von Speeren oder Kugeln herrühren konnten. Eine besonders große Narbe lief quer über den vorderen Oberschenkel. Unwillkürlich spannte Nils die Muskeln wie vor einem Sprung.
    Jill schien es gemerkt zu haben, jedenfalls packte sie ihn warnend am Arm und bedeutete ihm, sich absolut still zu verhalten. Er erstarrte in Bewegungslosigkeit und beobachtete das Geschehen, das sich in höchstens fünfundsiebzig Metern Entfernung vor ihm abspielte, hilflos und mit mehr Angst, als er je in seinem Leben zuvor verspürt hatte.
    Die Matriarchin schwang ihren Rüssel nach vorn und ließ ihn vor Kira auf und ab pendeln, beschnupperte sie, zupfte sanft am T-Shirt, blies ihr Luft ins Gesicht, wanderte mit der weichen Rüsselnase behutsam zum Hals des Mädchens und sog den Geruch ein.
    Kira kicherte und schob den Rüssel weg. »Hör auf, das kitzelt«, sagte sie.
    Ihre

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