Jenseits von Timbuktu
Ruhe. Verstanden?«
»Verstanden«, kam es als leises Echo von den übrigen Rangern zurück.
Die Wagen setzten sich in Bewegung. An der Weggabelung fächerten sie sich auf. Jill spähte ins Gestrüpp auf der rechten Seite, Philani beobachtete die linke, die spärlicher bewachsen war. Schweigend schaukelten sie im Schritttempo über den mit Schlaglöchern und Rinnen durchsetzten Weg. Die Hitze des Tages
stieg vom sonnengebackenen Boden auf und verursachte eine leichte Luftbewegung, die aber keinerlei Kühlung brachte. Jill schob ihren Hut in den Nacken und wischte sich die Stirn, wobei sie mit den Augen weiterhin hoch konzentriert jede Kleinigkeit auf ihrer Seite abtastete.
»Halt«, sagte sie auf einmal leise.
Nils bremste sofort sanft. »Was siehst du?«
»Dort.« Jill wies mit dem Zeigefinger in den Busch. »Schau dorthin.« Sie streckte den Arm aus.
Sein Blick glitt über ihren Arm zu ihrem Zeigefinger und weiter in die Schatten. Und dann sah er es in dem Bruchteil der Sekunde, wo das Scheinwerferlicht es streifte. Ein zusammengekauertes Wesen im Schlagschatten eines Baums. Es durchfuhr ihn wie ein elektrischer Schlag. »Kira!«, brüllte er aus dem Fenster, während er am Sitzgurt zerrte. »Liebling.«
Sein Ruf war noch nicht verhallt, da brach die Hölle los. Vögel flatterten auf, kreisten schrill zwitschernd über ihnen, Paviane bellten, in der Nähe krachte ein schweres Tier durchs Unterholz, und das Wesen unter dem Baum stellte sich als im Gras liegendes Impalajunges heraus, das bei ihrem Anblick mit wenigen Sätzen ins Dickicht floh. Gleichzeitig trompetete ein Elefant, immer noch gefährlich nah. Ein urweltliches, nervenzerfetzendes Geräusch.
Jill wurde weiÃ. Sie fuhr herum und starrte Nils an. »Verdammt, Nils!«
Nils hätte sich ohrfeigen können. »Sorry, Darling«, flüsterte er. Die Angst, schuld daran zu sein, seine Tochter in Lebensgefahr gebracht zu haben, packte ihn an der Kehle. Wie hatte er nur so dumm sein können. »Was machen wir nun?«, setzte er kleinlaut hinzu.
»Warten und beten, dass dein Gebrüll Kira nicht in eine ⦠Notlage gebracht hat.« Ihre Augen glühten schwarz vor Wut. Sie schien Mühe zu haben, nicht ausfallend zu werden.
»Sorry«, flüsterte er noch einmal und legte ihr die Hand aufs Knie.
Jill schob sie weg. »WeiÃt du, wie das ist, wenn ein in Rage geratener Elefant unaufhaltsam wie eine Lokomotive auf dich zurast und dabei ein Kreischen wie von hundert Höllendämonen ausstöÃt?«, fauchte sie. »Glaub mir eines, das ist ein Anblick, den nicht viele überleben.«
Nils starrte sie entsetzt an. Prompt liefen vor seinem inneren Auge ein paar Szenen im Zeitraffer ab, bei denen er darum kämpfen musste, sich nicht in hohem Bogen zu übergeben. Seine Tochter von durchgegangenen Elefanten zu einer blutigen Masse getrampelt, von Hyänen in Stücke gerissen oder wütenden Büffeln aufgespieÃt. Er presste fest die Lider zusammen, um die Bilder zu vertreiben. Es gelang ihm nicht.
Allmählich verstummten die Warnrufe, das Gekreisch der Paviane verebbte, die Vögel landeten wieder in den Bäumen. Erst zögernd, dann immer machtvoller schwoll das schrille Zirpen der Zikaden an, die Paviane schnatterten wieder friedlich, und die Vögel schäkerten miteinander. Der Busch kam langsam zur Ruhe. Jill atmete hörbar auf, und auch Nils fühlte eine leichte Entspannung.
Jill tippte Philani auf die Schulter. »Kannst du die Elefanten noch hören? Sind sie in Panik geraten?«
Der Ranger neigte den Kopf und lauschte konzentriert. Dann huschte ein Lächeln über sein dunkles Gesicht. »Cha. Sie sind ruhig. Die Leitkuh ist alt und erfahren. Menschliche Stimmen auf Inqaba ist sie gewohnt.« Er warf einen schnellen Seitenblick auf Nils. »Auch laute.«
Nils fühlte, dass sich seine verkrampften Muskeln etwas lockerten. »Können wir weiterfahren? Es wird in Kürze stockdunkel sein, und ich habe wenig Lust, mit einem Rhino oder einem Büffel zusammenzustoÃen oder mich mit einem Elefanten auseinanderzusetzen.«
Die Sonne war längst über den Horizont geglitten, ihr Widerschein erloschen. Die Kronen der Bäume wurden zu schwarzen Scherenschnitten vor dem rosafarbenen Himmel.
»Yebo. Kahle.« Philani saà äuÃerlich entspannt auf seinem Ausguck, aber aus Erfahrung
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