Jenseits von Timbuktu
überdeutlich. »Kann ich bei Ihnen mitfahren, Dirk?«
»Inqaba.« Maurice, der nach seinem eigenen Gepäck spähte, drehte sich erfreut zu ihr um. »Welch ein Zufall! Ich lebe ganz in der Nähe, nur ein paar Kilometer weiter. Wir haben also denselben Weg. Ich nehme Sie in meinem Wagen mit und setze Sie auf
Inqaba ab, dann kann ich wenigstens etwas wiedergutmachen. Einverstanden?«
Anita zog ein skeptisches Gesicht. »Danke, sehr nett, aber Sie können ja nicht einmal einen Gepäckwagen sicher steuern.« AuÃerdem verspürte sie wenig Lust, in einem Kleinwagen über afrikanische StraÃen zu rumpeln. Das würde ihr Kopf mit Sicherheit nicht aushalten.
»Unser Wagen ist groà und bequem und wartet drauÃen auf uns«, mischte sich Dirk Konrad ein. »Wir nehmen Sie mit Vergnügen mit. Sie könnten sich sogar auf den Rücksitzen hinlegen.« Er schob Maurice mühelos aus dem Weg, blockierte ihn mit seinem breiten Rücken und zog Anitas Gepäckwagen besitzergreifend an sich.
Andy Kaminski, der diese Aktion und den Wortwechsel verfolgt hatte und seinen Freund gut kannte, grinste in sich hinein, behielt aber einen Kommentar für sich.
Anita presste die Lippen zusammen. Sie empfand das überraschende Balzgehabe von Dirk Konrad als unangenehm. Franks Tod war noch wie eine rohe Wunde. Bei jeder Berührung wollte sie schreien. Dann aber gewann ihr Sinn fürs Praktische die Oberhand. Irgendwie musste sie schlieÃlich in dieses Wildreservat kommen, wobei es ihr eigentlich restlos egal war, wer sie mitnahm, solange ihr Kopf nicht allzu sehr durchgeschüttelt wurde. Während sie noch unentschieden darüber nachdachte, bemerkte sie auf einmal aus den Augenwinkeln, dass ihr Notebook vom Gepäckwagen zu rutschen drohte. In letzter Sekunde fing sie es auf.
Als sie es zurückstellte, fiel ihr auf, dass ihre Jacke nicht mehr auf dem Trolley lag. Hastig zog sie den Wagen herum. Vielleicht war sie zwischen die Koffer gerutscht? Sie lehnte sich vor, konnte sie aber nicht entdecken.
»Meine Jacke scheint geklaut worden zu sein!«, rief sie und verrenkte sich den Hals, um aus ihrer Position die Halle überblicken
zu können. Aber natürlich trug niemand eine schwarze Caban-Jacke aus Kaschmir. In diesem Klima würde demjenigen wohl Kreislaufversagen drohen.
»Moment. Die habe ich über die Koffer gelegt.« Maurice schob ihre Koffer auseinander und schaute unter den Wagen. Dann richtete er sich mit einem Kopfschütteln wieder auf und brüllte einem schwer bewaffneten schwarzen Polizisten in jener fremden Sprache etwas zu. Der klickte ein paar Worte, drehte sich auf dem Absatz um und marschierte durch die automatische Tür in die Haupthalle des Flughafens.
Trotz ihres starken Kopfwehs und der Sache mit der Jacke war Anita fasziniert. »Welche Sprache ist das?«
»Zulu.« Maurice lächelte sein angenehmes Lächeln. »Ich habe ihm gesagt, er soll drauÃen nachschauen, ob jemand die Jacke gefunden hat.«
»Netter Euphemismus«, murmelte sie und musterte ihn genauer. Sein Haar war dick und eher lockig als kraus, die Nase gerade und die Lippen voll. Der Karamellton seiner Haut rührte nicht von intensivem Sonnenbaden her, aber ein richtiger Schwarzafrikaner schien er auch nicht zu sein. »Sie sind Zulu?« Ihre Frage klang etwas ungläubig.
Für einen flüchtigen Moment verdunkelte ein Schatten seine Augen, dann grinste er. »Kommt drauf an, welche Hälfte Sie von mir meinen.  â Aber da kommt Sifiso wieder!« Er winkte dem Polizisten, der eben die Ankunftshalle durch einen Nebeneingang betrat. Mimisch fragte er ihn, ob er die Jacke gefunden habe. Der Polizist hob seine Pranken und schüttelte den Kopf.
»Die Jacke ist weg«, übersetzte Maurice. »Tut mir leid. War sie teuer?«
Anita zuckte kommentarlos die Schultern. Die Jacke war brandneu und für ihre Verhältnisse teuer gewesen. »Wer kann in diesem Saunaklima etwas mit einer Kaschmirjacke anfangen?«
»Die wird über Ebay verkauft. Vielleicht behält sie der Dieb
aber auch. Unsere Winter können besonders in den Bergen sehr kalt werden. Eine Kaschmirjacke wäre da genau richtig.«
»Ebay! Welche Frechheit.« Ihre Augen blitzten.
»Es gibt viel Armut hier.«
Langsam wurde sie wütend. »Das ist doch keine Entschuldigung! Ich muss auch für mein Geld arbeiten.« Ihre Antwort fiel
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