Jenseits von Timbuktu
ihren Wünschen gefragt, lieà sie sich eine Cola servieren, lehnte aber den Imbiss misstrauisch ab. Der Geruch nach Erbrochenem hing ihr immer noch in der Nase.
In Johannesburg erreichten sie den Weiterflug nach Durban in letzter Minute. Auch hier saà sie am Fenster. Neben ihr nahm ein übergewichtiger Schwarzer mit kahl geschorenem, fuÃballrundem Kopf und einem fröhlichen Grinsen Platz. Sie erwiderte sein lautes »Hi!« mit einem Nicken, hoffte aber, dass er keine Unterhaltung anfangen wollte, und stellte die Rückenlehne so ein, dass sie bequem hinausschauen konnte. Mit jeder Meile, die sich das Flugzeug dem Landstrich näherte, der im Leben ihrer Eltern eine so erhebliche Rolle gespielt hatte, klopfte ihr Herz heftiger.
Und dann sah sie die grünen Hügel, von denen ihre Eltern so geschwärmt hatten, dazwischen das glitzernde Band eines kleinen Flusses, winzige Spielzeughäuschen an den Hängen, hier und da auch grasgedeckte Rundhütten und traditionelle Bienenkorbhütten. Gebannt schaute sie hinunter, als sie das Stadtgebiet von Durban überflogen, Hochhäuser und breite StraÃen glitten unter ihr weg, weiÃe Einfamilienhäuser, eingebettet in üppige Vegetation, dann zog der Pilot eine weite Kurve hinaus auf den Indischen Ozean, ehe er an der Küste entlang den Flughafen südlich von Durban ansteuerte.
Minutenlang war unter ihr nichts als Wasser. Rechts brachen sich die Wellen an einem Felsenriff, schäumten sahnig weià den goldenen Strand hinauf, der wie ein Halsband üppige Gärten und weiÃe Villen mit funkelnd türkisen Swimmingpools gegen die Macht des Ozeans schützte. Kurz darauf setzte der Pilot zum Sinkflug an und landete mit kreischenden Reifen. Er lieà die Maschine ausrollen und kam neben dem quietschgrünen Flieger irgendeiner exotischen Fluglinie zum Stehen.
Da sie weit vorn saÃ, war Anita eine der Ersten, die die steile Gangway hinunter aufs Rollfeld stiegen. Es war so gut wie windstill, und heiÃe, feuchtigkeitsgeschwängerte Luft klatschte ihr wie ein nasser Waschlappen ins Gesicht. Binnen Sekunden lief ihr der Schweià den Rücken hinunter. Gefolgt von Dirk Konrad und seinem Assistenten, marschierte sie über den kochenden Asphalt und betrat die niedrige Ankunftshalle. Drinnen war es kaum kühler als drauÃen, und jegliche Hektik schien den Einheimischen viel zu schweiÃtreibend zu sein. Die Flughafenangestellten vermieden alle überflüssigen Bewegungen, lehnten meist miteinander schwatzend an der Wand oder standen mit abwesendem Gesichtsausdruck herum, als gingen sie die hereinströmenden Passagiere nichts an.
Es gab offenbar nur ein einziges Laufband, das sich allerdings noch nicht rührte. Anita nahm einen Gepäckwagen, wuchtete ihr Handgepäck darauf, stellte das Notebook obendrauf und postierte sich dort, wo die Koffer zuerst erscheinen mussten. Dirk Konrad und sein Assistent stellten sich neben sie. Sie kreuzte die Beine, lehnte sich mit den Armen entspannt auf ihren Trolley und schaute sich gelangweilt um.
Als ihr ein mit hoch gestapelten Koffern schwer beladener Karren mit voller Wucht von hinten in die Beine rammte, war sie unvorbereitet und knickte mit einem Aufschrei in den Knien ein. Ihre Beine rutschten weg, sie fiel der Länge nach auf den Steinboden und schlug mit dem Kopf auf. Die Koffer auf dem
Wagen gerieten ins Rutschen und polterten herunter. Einer traf sie in die Seite.
»O verdammt, das tut mir leid!« Ein Mann beugte sich über sie und packte sie, um sie hochzuziehen. »Es tut mir schrecklich leid.«
Anita wehrte sich heftig. Sie fühlte sich gleichzeitig groggy und desorientiert. Vorsichtig setzte sie sich auf, betastete behutsam ihren Kopf und stieà dort auf eine sehr schmerzhafte Stelle, die bereits zu einer Beule anschwoll. Sie stöhnte unwillkürlich.
»Es tut mir fürchterlich leid«, wiederholte der Mann und streckte die Hand nach ihr aus.
»Hat aber trotzdem verdammt wehgetan«, fauchte sie und stieà die Hand beiseite. »Können Sie nicht aufpassen?« Sie versuchte, sich aufzurappeln, aber der Schmerzblitz, der ihr durch den Kopf schoss, lieà sie zurückfallen. Ihr Kopf dröhnte. Sie knirschte einen Fluch und warf dem noch immer verlegene Entschuldigungen stammelnden Mann einen gepeinigten Blick zu.
Er war etwas mehr als mittelgroà und schlank. Seine Haut glänzte wie braun gebrannter Zucker, er
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