Jenseits von Uedem
Sie hatte sich gefreut, wenn er zu ihr gekommen war, alle großen Worte runtergeschluckt, keine Fragen gestellt. Sie hatte einfach alles mit sich passieren lassen - aus Angst, das Wenige, was sie von ihm hatte, zu verlieren. Verdammt, hatte sie das nötig? Wahrhaftig nicht! Sollte er doch sein kleines Spießerleben - nein, das war ungerecht. Trotzdem!
Sie sah wieder auf. Heinrichs wühlte in seinen Papieren. Sie hatten den ganzen Morgen ruhig nebeneinander gearbeitet, einander kaum wahrgenommen. Ein paarmal hatte Heinrichs telefoniert.
»Waren Sie denn wenigstens erfolgreicher . ?« fragte sie.
»Wie man's nimmt. Ganz interessante Sachen dabei, aber ob . « Das Telefon unterbrach ihn. Er nahm ab, nickte zufrieden und fing an, etwas aufzuschreiben.
Astrid zuckte die Achseln, warf ihr Haar zurück und schaltete entschieden den Bildschirm wieder ein. In weniger als zehn Minuten war sie auf dem Weg, den sie gesucht hatte.
Friedrich Schmitz war der erste, der mit einer gewissen Warmherzigkeit von te Laak sprach.
»Im Grunde war der Gerd doch eine ganz arme Socke. Ohne Vater großgeworden; der ist ja schon ganz früh gestorben, der Mann. Und die Mutter, mein Gott! Die hat ihn noch aus der Kneipe geholt, als er schon über zwanzig war.«
»Wann hat er denn die Detektei aufgemacht?« wollte van Appeldorn wissen.
»Schon vor Jahren, kurz nachdem er vom Bund weg war. Das war wohl seine Art, zu Hause rauszukommen. Und die Versicherungsgeschichte alleine war ihm zu öde. Irgendwie war der schon immer so, der hat sich immer gern in Sachen eingemischt.«
»Hat er manchmal über seine Ermittlungen gesprochen?« fragte Toppe.
»Nie! Großes Geheimnis. Er hat gern mit seiner Schweigepflicht angegeben und von >heißen Eisen< gesprochen; und wenn er mal auspackt, dann könnte er so manchen in Kleve hochgehen lassen.« Fritz lächelte entschuldigend. »So war er eben. Die meisten haben ihn wegen dieser Art geschnitten, aber ich kenne ihn schon seit unserer Kindergartenzeit. Zu Hause hat der ja nie eine Schnitte gekriegt, aber in seiner Detektei, da könnt' er der Macher sein. Er hat mir oft erzählt, daß er seinen ganz eigenen Stil hätte und deshalb auch so erfolgreich wäre. Reine Ermittlungsarbeit wäre nicht sein Ding.«
»Wie meinte er das?«
»Hab' ich ihn auch gefragt, aber er sagte nur, bloß Berichte abliefern wäre ihm zu langweilig, er würde schon lieber mal selber aktiv.«
Toppe runzelte die Stirn.
»Und wie sah's bei te Laak mit Frauen aus?« fragte van Appeldorn.
Schmitz schnaubte. »Keine Chance. Mutter te Laak hat sie alle rausgeekelt. Und wenn der Gerd nicht sofort spurte, kriegte sie eine Herzattacke. In den letzten Jahren hat er ziemlich viel in Bars und bei Nutten rumgehangen. Na ja .«
Als sich um fünf Uhr wieder alle zur abschließenden Teamsitzung im Büro trafen, hatte Astrid das Gefühl, sie würde keine zehn Minuten mehr durchstehen, ohne zu schreien oder in Tränen auszubrechen. Sie war todmüde und gleichzeitig vollkommen überdreht und konnte nicht mehr unterscheiden, ob sie wirklich Kopfschmerzen hatte oder nur ihr Nacken verspannt war.
Toppe sah auch sehr müde aus, wirkte aber gelöst. Er lächelte ihr mit den Augen zu, als er hereinkam.
»Das Mädchen hier hat einen Orden verdient«, schmetterte Heinrichs ihm und van Appeldorn entgegen. »Siebeneinhalb Stunden hat sie an dieser Höllenmaschine verbracht, und das auch noch mit Erfolg.«
»Mit einem Orden kann ich zwar nicht dienen«, meinte van Appeldorn, »aber vielleicht tut's das hier auch.« Und er knallte eine Flasche Asti Spumante auf den Tisch.
Toppe schüttelte sich, aber Heinrichs und Astrid ließen sich ihre Kaffeebecher vollgießen.
»Kommt Stein?« fragte Toppe.
»Ich habe ihm Bescheid gesagt«, antwortete Heinrichs, »aber er wußte nicht, ob er es schafft. Wir sollen schon mal anfangen.«
Dr. Stein war ihr Lieblingsstaatsanwalt. Er hatte ihnen schon so manches Mal den Rücken gestärkt, wenn ihr Chef, Stanislaus Siegelkötter, ihnen mit seinen ewigen Verwaltungsvorschriften, vor allem aber mit seiner Persönlichkeit das Leben schwer machte. »Stasi« war bis Aschermittwoch in Urlaub gegangen - dann würde man weitersehen.
Toppe faßte kurz zusammen, was van Appeldorn und er über te Laak herausgefunden hatten.
»Du liebe Güte«, meinte Astrid, »wenn das so einer war! Wenn sich irgendeiner an dem gerächt hat, dann können wir uns aber warm anziehen. Da sind an die dreißig abgeschlossene Fälle seit 1987 im
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