Jenseits von Uedem
die Veranstaltung da oben abbrechen, Frau ... Kommissarin?« Dabei ließ er seinen Blick langsam über ihren Körper gleiten.
»Nein, noch nicht«, sagte sie kalt. »Gehen Sie hoch. Ich komme gleich nach. Warten Sie«, überlegte sie kurz, »wir sollten den Toten nach nebenan in den VHS-Raum bringen. Wenn die Sitzung da oben aus ist, wollen die alle ihre Mäntel haben, und dann ist hier der Teufel los. Rufen Sie einen zweiten Streifenwagen. Die Kollegen können mit anfassen. Und verständigen Sie den ED und den Hauptkommissar.«
Der Kollege kniff die Lippen zusammen und wandte sich abrupt zum Gehen.
Astrid legte Friedrich Schmitz kurz die Hand auf den Unterarm. »Wollen wir uns nicht lieber draußen unterhalten?«
»Ja.«
Sie gingen zur hinteren Tür hinaus auf den Parkplatz. Astrid lehnte sich gegen ein Auto und suchte in ihrer Handtasche nach Zigaretten.
»Wollen Sie auch eine?«
»Nein, danke.«
Sie steckte die Zigaretten wieder weg und sah ihn aufmunternd an. »Erzählen Sie mir einfach von Anfang an, was heute abend passiert ist.«
Er seufzte. »Ja, also, ich habe Gerd zu Hause abgeholt. Die Karten hatten wir schon seit Monaten. Er sah schlecht aus und meinte, er hätte wohl irgendwie was Falsches gegessen. Aber da hab' ich mir noch nichts dabei gedacht! Ja, dann sind wir hergefahren und haben die anderen getroffen. Erst war alles noch ganz normal, nur daß Gerd ein bißchen blaß war. Dann ging er aufs Klo, und als er wiederkam, sah er noch schlechter aus als vorher. Aber er machte Witze und trank sich ein Bier. Viermal ging das so. Beim vierten Mal bin ich hinterher. Er war auf dem Klo, und ich hörte, wie er da rumwürgte. Ich hab' gesagt, ich fahr' dich nach Hause, aber er meinte, Quatsch, und es wär' schon in Ordnung. Als er vor mir herging, war er ganz wackelig. Dann hat er sich an den Tisch gesetzt und sich ein Bier genommen. Ja, und dann hat er auf einmal angefangen zu würgen und ist zusammengesackt. Der Hausmeister und der Kellner haben ihn sofort nach unten getragen. Aber da hat er schon nichts mehr gesagt. Ich glaub', da war er schon tot.« Fritz schluckte und sah sie an.
»Wer saß außer Ihnen noch am Tisch?«
»Bloß wir fünf.« »Was hat te Laak gegessen und getrunken?«
»Gegessen? Bloß ein paar Pitjes. Und Bier hat er getrunken, genau wie wir anderen auch.«
»Hat er Ihnen gesagt, was er vorher gegessen hat? Wovon ihm so schlecht war?«
»Nein, hat er nicht. Er hat das ja auch die ganze Zeit so runtergespielt.«
»Gut«, sagte Astrid. »Sie können dann zu Ihren Freunden gehen. Es wird nicht mehr lange dauern.«
Er nickte. Der Schock hatte ihn wohl ernüchtert. Nach seiner Bierfahne zu urteilen, mußte er mächtig gebechert haben.
Astrid ging hinauf in den Saal.
Den Kollegen entdeckte sie an einem Tisch ziemlich weit vorn. Sie ignorierte das Männerballett auf der Bühne und schob sich durch.
»Die Gläser sind alle noch auf dem Tisch«, begann der Beamte sofort, »und die Pitjes auch, bloß ... die hatten schon angefangen ... aber ich hab' sofort ...«
Sie folgte seinem Blick.
Neben dem Tisch stand ein Eimer mit Wasser, auf dem in dicken Fettaugen hellbraunes Erbrochenes schwamm, daneben lag in einer schleimigen Pfütze ein Aufnehmer.
»Ist schon in Ordnung«, sagte Astrid. »Wie lange geht der Rummel hier noch?«
»Die Kellnerin meint, noch 'ne halbe Stunde.«
»Dann lohnt es sich nicht abzubrechen. Würden Sie so lange hierbleiben?«
Er sah sie verwirrt an. »Wenn ich soll ...«
»Ja. Bis später.«
Sie ging hinaus, an Friedrich Schmitz und den drei anderen Bleichen vorbei, die auf der schwarzen Ledergarnitur warteten, die Treppe hinunter und suchte den Hausmeister. Mit ihm und den Kellnern mußte sie auf jeden Fall noch sprechen. Was war im Saal vorgefallen? Hatten sie irgendwas beobachtet? Und warum, um Himmels willen, hatten die den Mann zwei Treppen runtergeschleppt, anstatt ihn bloß bis ins Foyer zu bringen und ihm dort zu helfen?
Als sie wieder zur Garderobe wollte, kam Toppe herein. Er warf ihr einen kurzen Blick zu, den nur sie verstand. Ihr Magen schlug einen kleinen Purzelbaum. Kein Mensch wußte, daß sie ein Verhältnis miteinander hatten. Seit er vor sechs Wochen bei seiner Frau und seinen beiden Söhnen ausgezogen war, hatten sie sich nicht mehr allein getroffen, und Astrid fragte sich, ob es dieses »Verhältnis« eigentlich noch gab.
Er sah müde aus und mager.
2
»Haben Sie die Kotze asserviert, Frau Steendijk?« Berns vom Erkennungsdienst
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