Jeremy X
Seite der menschlichen Natur doch immer wieder ans Tageslicht kommt. Und es wird auch immer besondere Situationen geben - vor allem für die transstellaren Konzerne, die draußen im Rand Arbeitskräfte brauchen -, wo Schwerstarbeitstypen immerhin einen marginalen Vorteil gegenüber automatisierten Gerätschaften bieten. Aber der Markt sollte schrumpfen, oder zumindest stagnieren, was bedeutet, dass Manpower allmählich die Puste ausgehen müsste. Die Gewinnspanne müsste sinken, und so müssten sie weniger ›Produkte‹ erzeugen. Das geschieht aber nicht.«
»Vielleicht sind die einfach zu sehr auf ihre alte Vorgehensweise eingeschossen, um sich anzupassen«, schlug Thandi nach kurzem Nachdenken vor.
»Das klingt nach einer interessanten Hypothese«, gestand Victor ein, »aber es passt zu keinem Geschäftsmodell, das ich mir überlegt habe. Das passt nicht zu einer Corporation, die offensichtlich so lange Zeit über derart erfolgreich war. Natürlich hatte noch niemand Gelegenheit, Einsicht in ihre Bücher zu nehmen, aber die müssen einfach eine Wahnsinns-Gewinnspanne haben, um das alles finanzieren zu können, womit die sich beschäftigen - zum Beispiel ihre Operation hier auf ›Verdant Vista‹ -, und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Sklaverei so viel abwirft - oder immer noch, sollte ich wohl lieber sagen.«
»Dann war das hier vielleicht ihr Versuch, sich auf neue Produktbereiche umzustellen?«
»Hmm.« Einen Moment lang legte er die Stirn in Falten, dann zuckte er erneut mit den Schultern. »Könnte natürlich sein. Bloß ...«
Das Klingeln der Türglocke unterbrach ihn, und Thandi verzog das Gesicht, bevor sie etwas sagte.
»Öffnen«, befahl sie.
Beinahe lautlos glitt das Türblatt zur Seite, und Anton Zilwicki betrat den Raum, gefolgt von Prinzessin Ruth. In einer schockierenden Zurschaustellung eines gänzlich auf den Kopf gestellten Protokolls folgte ihnen Queen Berry.
»Du kannst jetzt aus deinem Versteck herauskommen, Victor«, sagte Anton. »Sie ist fort.«
Berry trat in die Mitte des Raumes und stemmte die Hände in die Hüften. »Also, ich finde ja, Sie waren ganz schön unhöflich, ganz egal, was Daddy sagt. Mom ist wirklich neugierig, und es treibt sie fast in den Wahnsinn, ihre Neugier nicht befriedigt zu wissen. Die ganze Zeit über hat sie nach Ihnen gefragt. Und Sie sind nicht ein einziges Mal herausgekommen, um Sie kennen zu lernen.«
»Es heißt zwar ›Neugierige Katzen verbrennen sich die Tatzen‹, ob das nun stimmt oder nicht«, gab Victor zurück. »Aber es steht völlig außer Frage, dass sich schon so mancher allzu neugierige Politiker ernstlich die Finger verbrannt hat. Ich habe der Lady einen Gefallen getan, Eure Majestät, ob sie diesen Gefallen nun zu schätzen weiß oder nicht.«
»Nennen Sie mich nicht so!«, fauchte Berry. »Ich kann's nicht leiden, wenn meine Freunde in Privatgesprächen diesen albernen Titel benutzen, und das wissen Sie ganz genau!«
Anton ging zu einem Sessel hinüber und nahm Platz. »Er tut das aus irgendeinem Grund, den ich noch nicht herausgefunden habe - er ist einfach ein verschlagener, griesgrämiger Bursche. Auch in Privatgesprächen pompöse Adelstitel zu verwenden hat gewiss etwas mit seinem ach so heiligen Egalitarismus zu tun. Aber mach dir keine Sorgen, Mädchen. Er meint das nicht so.«
»Eigentlich«, widersprach Victor milde, »ist Berry die einzige Monarchin in der ganzen Schöpfung, bei der es mir nichts ausmacht, sie ›Eure Majestät‹ zu nennen. Aber ich gebe gerne zu, dass ich es vor allem tue, um ein bisschen aufsässig zu sein.«
Er blickte zu der jungen Königin empor, die ihn mit finsterer Miene ansah, die Hände immer noch in die Hüften gestemmt. »Berry, das Letzte, was deine Mutter gebrauchen könnte, wäre der Vorwurf, sie habe die Zeit auf Torch dazu genutzt, sich mit einem feindlichen Agenten abzugeben.«
Berry grinste ihn höhnisch an. Zumindest versuchte sie es. ›Höhnisches Grinsen‹ war einfach kein Gesichtsausdruck, der für sie natürlich gewesen wäre. »Ach Unfug! Meinen Sie, es ist besser, wenn man ihr den Vorwurf machen könnte, sie habe die Zeit auf Torch dazu genutzt, sich mit einem mordlüsternen Terroristen wie Jeremy abzugeben?«
»Das ist überhaupt nicht vergleichbar«, merkte Victor an und schüttelte den Kopf. »Ich zweifle nicht daran, dass ihre politischen Gegner ihr genau das vorwerfen werden, sobald sie zu Hause eintrifft. Das wird alle begeistern, die sie ohnehin
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