Jeremy X
Taktiken, die der Ballroom im Laufe der Jahrzehnte angewendet hatte ... und auch ein Grund für den Abscheu so vieler, die jene Methoden missbilligten, so sehr sie auch an sich auf der Seite derer standen, die das Konzept der Sklaverei im Ganzen abgeschafft wissen wollten. Doch die Vorgehensweise des Ballroom hatte noch einen anderen Preis als lediglich den der öffentlichen Verurteilung. Etwas derart Einflussreichem wie Manpower und seinen Verbündeten unter den Corporations den Krieg zu erklären, um auf blutige Art und Weise dafür zu sorgen, dass der Preis für sie alle untragbar hoch wurde, ging allzu leicht einher damit, dass man sich selbst brutalisierte - sich in etwas verwandelte, das nicht nur in der Lage war, Gräueltaten zu verüben, sondern sogar erpicht darauf war.
Der Ballroom hatte sich stets bemüht, sämtliche seiner Mitglieder als Kämpfer darzustellen, nicht bloß als Killer. Doch nachdem es genügend Tote gegeben hatte und genügend Blutvergießen, nachdem genügend Schrecken unter jenen verbreitet worden war - in Vergeltung für all die Gräueltaten, die man selbst hatte erleiden müssen -, weichte dieser feine Unterschied bestürzend rasch auf. Allzu oft kam es vor, dass jemand, der die Rolle eines Soziopathen spielte, sich tatsächlich in einen Soziopathen verwandelte, und eine ganze Menge Ballroom-Kämpfer, die in genau diese Kategorie fielen, tauchten nun hier auf Torch auf, unfähig - oder unwillig - zu glauben, ein Planet, der fast ausschließlich von Ex-Sklaven besiedelt war, könne der Terrorismus-Taktik des Ballroom abgeschworen haben.
Judson konnte ihnen nicht verdenken, dass sie so dachten. Tatsächlich wüsste er gar nicht, wie es anders sein solle. Und er empfand nicht nur Mitgefühl, sondern tatsächlich ein gewisses Maß an Verständnis für die Männer und Frauen, die so dachten - und das in einer Art und Weise, die er selbst schlichtweg für gänzlich unmöglich gehalten hätte, bevor er Torch mit eigenen Augen erlebt hatte. Er hatte zu viel gesehen und zu viel erfahren von den hunderten, sogar tausenden, von Leuten, die ebenso wie sein Vater aus erster Hand die Brutalität von Manpower ertragen mussten, um irgendjemandem wegen seines brennenden Hasses Vorwürfe machen zu können.
Und doch gehörte es zu den Aufgaben des Einwanderungsdienstes, sämtliche Personen zu identifizieren, die in dieser Art und Weise dachten, weil Jeremy X es völlig ernst damit gemeint hatte, als er dem ›Terrorismus‹ abschwor. Und er hatte damit auch Recht. Wenn Torch überleben wollte, dann musste es seinen Freunden und seinen potenziellen Verbündeten deutlich zeigen, dass dieses junge Königreich nicht zu einem schlichten Anlaufhafen für den Terrorismus werden würde. Niemand, der auch nur halbwegs bei Verstand war, konnte erwarten, dass sich Torch dem Ballroom entgegenstellte oder auch nur sämtliche Kontakte zu dieser Organisation abbräche, und hätte Jeremy etwas in dieser Art zu tun versucht, dann hätten sich seine Mitbürger wie hungrige Wölfe auf ihn gestürzt. Und das mit Recht, fand Judson. Doch das Königreich Torch musste sich wie eine Sternnation verhalten, wenn es jemals als Sternnation anerkannt und akzeptiert werden wollte. Und eine Heimat für Ex-Sklaven, errichtet und unterhalten von Ex-Sklaven, als Beispiel und Beweis dafür, dass diese in der Lage waren, Teil einer zivilisierten Gesellschaft zu sein. Dies war ungleich wichtiger, als jegliche offene Unterstützung von Vorgehensweisen im Stil des Ballroom es jemals sein könnte.
So viel Mitgefühl andere Menschen aus der Sicherheit und Bequemlichkeit ihres eigenen wohlgenährten, sorglosen Lebens heraus auch empfinden mochten: Angesichts der Notlage dieser Opfer von Manpower Incorporated gab es immer noch diese unausrottbaren Vorurteile gegenüber Sklaven - eigentlich jeder Person gegenüber, die in erster Linie als ›Dschinn‹ definiert war. Als Produkt bewusster Genmanipulation. Nun ist es ja nicht so, als hätten nicht manche der Gensklaven eine eigene Abart genau dieser Vorurteile, dachte Judson, hinsichtlich der Einstellung der weitaus meisten von ihnen gegenüber Schwätzern. In seinen düstereren Momenten glaubte er manchmal, jede Gruppe brauche irgendjemanden, auf den sie abschätzig herabblicken könne. Das schien einfach für die Menschheit endemisch zu sein, wie auch immer die menschlichen Gene nun angeordnet sein mochten. Zu anderen Zeiten blickte er sich um und sah, wie die überwältigende Mehrzahl all
Weitere Kostenlose Bücher