Jeremy X
Zunge herausstreckte, damit der Sachbearbeiter vom Einwanderungsdienst den Strichcode einscannen konnte.
Einige der Ex-Sklaven ärgerten sich über diese Technik. Hin und wieder weigerten sich einige Neuankömmlinge rundweg, sich in dieser Art und Weise behandeln zu lassen, und Judson hatte keinerlei Schwierigkeiten, dafür Verständnis aufzubringen. Doch angesichts der unvorstellbaren Anzahl verschiedener Orte, von denen die neuen Torch-Einwanderer kamen - und wenn man dann noch bedachte, dass die Tatsache, dass sie Ex-Sklaven waren, sie nicht automatisch zu einem Ausbund an Tugend machte -, war es nun einmal eine praktische Notwendigkeit, eine Identifizierungs-Datenbank anzulegen. Abgesehen davon hatten die Mediziner auf Beowulf verschiedene Genkombinationen entdeckt, die durchaus ernstzunehmende negative Konsequenzen mit sich bringen konnten. Um derartige Dinge hatte man sich bei Manpower nie gekümmert, solange sie bloß immer schön die gewünschten physiologischen Merkmale erhielten, auf die es ihnen ankam. Und genau dieser Mangel an Problembewusstsein war ein entscheidender Faktor, dass selbst bei den Gensklaven, die das Glück hatten, eine Prolong-Behandlung zu erhalten, die durchschnittliche Lebenserwartung immer noch deutlich hinter der von ›Normalen‹ zurückblieb. Auf Beowulf hatte man sich weidlich bemüht, die Konsequenzen der entscheidenden Gensequenzen zumindest zu lindern, soweit sich besagte Sequenzen identifizieren ließen, und das Strichcode-System stellte einfach die schnellste, effizienteste Methode für die behandelnden Ärzte dar, nach entsprechenden Sequenzen zu suchen. Selbst auf Beowulf konnte man für viele der Betroffenen nicht allzu viel ausrichten, doch bei einigen konnte eine rasche Behandlung die Folgen tatsächlich deutlich eindämmen, und zu den Dingen, die jedem Bürger von Torch versprochen wurden, gehörte auch die bestmögliche medizinische Versorgung.
Angesichts der Tatsache, dass kein Slavenbesitzer sich jemals die Mühe gemacht hatte, Prolong auf etwas derart Unwichtiges zu verschwenden wie auf bewegliche Besitztümer, geschweige denn, sich um so etwas wie Präventivmedizin zu kümmern, war dieses Versprechen eine der bemerkenswertesten Proklamationen für den individuellen Wert, den man auf Torch jedem einzelnen Bürger beimaß.
»Ist er immer noch nervös?«, fragte Judson fast unhörbar leise, und wieder zuckte Dschingis' Hand bestätigend.
»Interessant«, murmelte Judson. »Vielleicht liegt das an dir. Vielleicht ist er einer von denen, die es einfach nicht mögen, dass irgendjemand in seinem Schädel herumstochert.«
Diesmal nickte Dschingis mit dem Kopf und beschränkte sich nicht nur auf eine Handbewegung. Baumkatzen waren von Natur aus unfähig, wirklich zu begreifen, warum irgendjemand in dieser Weise empfinden sollte, schließlich konnten sie es sich überhaupt nicht vorstellen, man könne nicht in den Schädeln seiner Artgenossen ›herumstochern‹. Doch sie brauchten auch nicht zu verstehen, warum Zwei-Beine so empfanden. Um zu erkennen, dass es bei einigen eben der Fall war, und sollte das auch hier zutreffen, wäre es kaum das erste Mal, dass Dschingis etwas Derartiges erlebte.
»Trotzdem«, fuhr Judson fort, »denke ich, wir sollten diesen Burschen da zumindest ein paar Tage lang im Auge behalten. Erinnere mich doch bitte daran, das Harper gegenüber zu erwähnen.«
Kapitel 15
»Du hast mich gerufen?«, fragte Benjamin Detweiler, kaum dass er den Kopf durch den Türspalt geschoben hatte, als Heinrich Stabolis ihm öffnete.
Albrecht Detweiler blickte von den Unterlagen auf seinem Display auf und sah seinen ältesten Sohn mit gehobener Augenbraue an. Natürlich war Benjamin nicht bloß sein Sohn, doch nur wenige wussten, wie eng ihre Beziehung wirklich war.
»Habe ich in letzter Zeit schon erwähnt«, sagte Albrecht, »dass ich deinen äußerst kindlichen Respekt sehr rührend finde?«
»Nein, ich denke, das muss dir irgendwie entgangen sein, Vater.«
»Wie könnte das wohl möglich sein?«, sinnierte Albrecht laut, dann deutete er auf einen der bequemen Sessel vor seinem Schreibtisch. »Parken Sie sich, junger Mann«, sagte er in dem gestrengen Ton, den er mehr als einmal während Benjamins Jugend angeschlagen hatte.
»Jawohl, Vater«, erwiderte Benjamin in einem Tonfall, der deutlich ernster und nüchterner klang, als Albrecht ihn jemals während besagter Jugend erlebt zu haben glaubte.
Der jüngere Detweiler ›parkte‹ sich und legte die
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