Jerry Cotton - 0504 - Der Tiger
große Eile Stufe für Stufe nahm. Seiner vorsichtigen Bedächtigkeit war zu entnehmen, daß er keine Lust verspürte, in einen Kampf verwickelt zu werden. Vermutlich hatte ihm irgend jemand aufgetragen, nach oben zu gehen, um diese Seite der Beleuchterbühne abzusichern, und nun war er ziemlich lustlos dabei, den Befehl auszuführen. Ich preßte mich gegen die Wand, die Waffe schußbereit in der Rechten.
Es war anzunehmen, daß er ebenfalls eine Pistole in der Hand hatte. Mir blieb zwar die Chance, aus dem Stand und mit größerer Treffgenauigkeit zu schießen, doch damit war nicht viel gewonnen. Am unteren Ende des fensterlosen Treppenhauses würde mich die Abrechnung erwarten. Die Knallerei im Treppenhaus wäre für die Gangster das Signal zum Generalangriff.
Ich hörte, daß auf der Bühne einige Schüsse fielen. Vermutlich war es den Burschen zu still und zu langweilig geworden, deshalb heizten sie die Atmosphäre mit einer erneuten Knallerei an.
Plötzlich schob sich der Kopf des Mannes in mein Blickfeld und verharrte wie erstarrt. Offenbar hatte er nicht erwartet, mich im Treppenhaus anzutreffen. Wie vermutet, trug er eine Pistole in der Hand, doch wies sie nicht auf mich, sondern auf den Boden. Seine Arme baumelten ihm lose an den Seiten herab. Angesichts der Tatsache, daß meine Beretta auf seinen Kopf zielte, fand er nicht den Mut zu einem Angriff oder einer Verteidigung.
»Laß das Ding fallen!« zischte ich. Er gehorchte prompt. Dabei entstand ein metallisches polterndes Geräusch, das laut durch das Treppenhaus hallte. Ich war ziemlich sicher, daß man es bis nach unten hören konnte.
»Hände hoch!« kommandierte ich. Auch diesen Befehl führte er widerstandslos aus. Im nächsten Moment war ich bei ihm. »Umdrehen! Stell dich mit dem Gesicht zur Wand!« Er leistete keinen Widerstand. Ich hob seine Kanone auf und schob sie in den Hosenbund. Jetzt standen mir immerhin schon achtzehn Kugeln zur Verfügung.
»Kehrt marsch«, sagte ich, nachdem ich ihn nach weiteren Waffen abgetastet hatte. »Verschränke die Hände im Nacken und denke daran, daß ich das Schießen unter Jeff gelernt habe!«
Er marschierte brav vor mir die Treppe hinab.
Unten in der Tür standen Slim und ein anderer Gangster. Slim hatte keine Waffe in der Hand. Der Mann neben ihm, Robert Douglas, hatte eine MP unterm Arm. Seinem Ganovengesicht war anzumerken, wie groß die Sicherheit und das Überlegenheitsgefühl waren, die ihm durch die Kanone vermittelt wurden.
»Werfen Sie die Pistole weg!« fuhr Slim mich an.
Der Bursche vor mir blieb stehen. Vorsichtshalber hatte ich ihm die Mündung der Beretta in den Rücken gerammt. Ich hatte nicht vor abzudrücken, nicht einmal, wenn er versucht hätte, sich mit einem Satz aus der Gefahrenzone zu retten, aber das wußte er ja glücklicherweise nicht. Er schwitzte ganz erheblich. Es war kein bißchen nach seinem Geschmack, von einer Pistole und einer MP in die Zange genommen worden zu sein.
»Weitergehen!« befahl ich ihm und verstärkte den Druck meiner Pistole in seinem Rücken. Der Gangster riskierte eine weitere Stufe, dann blieb er abermals stehen.
»Ein hübsches Manöver, was?« fragte ich grinsend und blickte Slim höhnisch an. »Es beweist mir nur eines. Die Boys sind schlapp geworden. Sie haben nachgelassen. Zwanzig gegen einen, und sie stellen nichts auf die Beine!«
»Sie vergessen, daß der Film noch nicht ganz abgelaufen ist. Die Schlußszene gehört uns!«
»Hör zu, Slim«, sagte ich hart. »Ich habe es satt, diesen Zirkus fortzusetzen. Ich bin zurückgekommen, um Jeffs Erbe anzutreten. Du wirst mich genausowenig daran hindern wie irgendein anderer der Crew. Aber ich werde allmählich wütend. Wer mich kennt, weiß verdammt genau, daß dabei eine Menge passieren kann!«
Slim schluckte. Dieser abgebrühte Bursche hatte seltsamerweise plötzlich nicht mehr die Kraft, meinem harten Blick standzuhalten.
»Okay«, sagte er. »Verhandeln wir!« Er legte eine Hand auf die im Anschlag befindliche MP und drückte sie nach unten. Dann wies er einladend auf den Bühnenzugang. »Worauf wartest du noch?«
Diesmal war ich es der zögerte. Slims Stimmungsumschwung kam zu plötzlich, sein Lächeln war zu breit. Ich witterte eine Falle. Gleichzeitig begriff ich, daß sich mir eine große Chance bot. Was Slim auch Vorhaben mochte: Er hatte kein Mittel, um Douglas sein Vorhaben klarzumachen. Douglas stand mit ziemlich dämlicher Visage neben Slim, die MP wies mit der Mündung nach
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