Jerry Cotton - 0504 - Der Tiger
befahl ihnen zurückzutreten und blickte Patricia an. Sie war als einzige im Konferenzzimmer verblieben.
»Ich gehe mit dir!« sagte sie atemlos. »Ich glaube nicht, daß das gut wäre«, erwiderte ich.
In ihren Augen schimmerte plötzlich ein neuer Glanz. Es waren Tränen. »Du hast recht«, meinte sie bitter. »Ich gehöre nun mal zu denen da drin!«
Gesenkten Hauptes ging sie in Jeffs Büro. Ich verschloß hinter ihr die Tür.
Prompt krachte das Gewicht vieler Körper von innen dagegen. Ich nahm mir nicht die Zeit, mich nach einer der auf dem Boden umherliegenden Pistolen zu bücken, sondern raste aus dem Konferenzzimmer, als eelte es den 100-Yard-Rekord zu brechen. Durch einen Vorraum und das Empfangszimmer gelangte ich in den schmalen Korridor, der zum Ausgang führte.
Neben der Tür lag ein Gangster namens Bertie Wells. Es war der- Posten, den Brockley überwältigt hatte. Wells stöhnte. Offenbar war er gerade aus einer tiefen Bewußtlosigkeit erwacht. Ich konnte mich nicht um ihn kümmern und jagte hinaus.
Bis zum Lift waren es nur sechs, sieben Schritte. Ich drückte auf den Knopf. Der Lift kam brav aus der ersten Etage heraufgesurrt. Ich öffnete die Tür und schlüpfte hinein. Nachdem ich den Groundfloor-Knopf betätigt hatte, glitt ich mit dem Kasten nach unten.
Erst jetzt merkte ich, wie sehr ich schwitzte. Doch es hatte sich gelohnt; Mein hohes Spiel war so gut wie gewonnen. Ich brauchte mir nur noch die Kassette zu schnappen und sie bei Mr. Farlund abzuliefern. Der Rest des Falles gehörte dann dem FBI, dem Distrikt Attorney, den Gerichten und in einigen Fällen wohl auch dem Henker.
Aber genau in dem Moment, als ich anfing, mich der geleisteten Arbeit zu freuen, hörte der Fahrstuhl auf, brav zu sein, und blieb stecken. Gleichzeitig verlöschte in der Kabine das Licht. Ich war von völliger Dunkelheit umgeben.
Mir dämmerte sofort, daß dieser Stromausfall nicht ganz zufällig zustande gekommen war. Howard Slim hatte also nicht geprahlt! Der clevere Jeff Brockley hatte tatsächlich ein paar Vorkehrungen getroffen, um die Flucht unliebsamer Gegner stoppen zu können. Slim hatte -nur ein Hebelchen in Jeffs Büro umzulegen brauchen, um von Jeffs Ideenreichtum zu profitieren.
Der Korb hing genau zwischen zwei Etagentüren, vermutlich zwischen dem dritten und vierten Stock. Ich hörte das Dröhnen der Musikbox sehr deutlich. Es war ein richtiger Stimmungsknüller, zu dem sie tanzten, doch meine Stimmung vermochte er nicht zu heben.
Ich knipste das Feuerzeug an und entdeckte, daß das obere Ende der Tür zur dritten Etage etwa einen Yard über den Liftboden hinweg ragte. Das Mittelteil dieser Tür war mit dickem Kristallglas ausgefüllt. Wenn ich es aus der Fassung klopfte, würde gerade genug Platz entstehen, damit ich mich nach draußen winden konnte.
Ich wagte mir allerdings nicht auszumalen, was mit mir geschehen würde, wenn just in diesem Augenblick der Lift wieder in Tätigkeit träte.
Für Bedenken und Skrupel war dies jedoch der denkbar ungeeignetste Moment. Kurzentschlossen hämmerte ich mit dem Pistolenlauf die Scheibe in Trümmer. Nachdem ich auch noch die letzten spitzen'Glasreste aus dem Rahmen geschlagen hatte, zwängte ich mich ohne große Mühe durch das entstandene Loch.
Im Nu stürmte ich über die Treppe nach unten ins Erdgeschoß. Ich entdeckte, daß die Tür zum Hof verschlossen war, und sauste durch den Vordereingang auf die Straße. Von hier gelangte ich durch die Autoeinfahrt auf den Hof.
Der quadratische, von zwei Häusern und einer Mauer eingefaßte Hofraum war durch eine Lampe erleuchtet. Parallel zum Haus waren die einzelnen Parkflächen durch weiße Linien markiert. Sämtliche Flächen waren mit Wagen besetzt. Bis auf eine.
Auf diesem einem Rechteck spiegelten sich im Lichtschein der Hoflampe eine Menge winziger Kristalle in Rot und Weiß. Es gab keinen Zweifel, daß hier der Wagen gestanden hatte, dem die Kassette aufs Dach geknallt war. Offenbar waren dabei eine Scheibe und ein Stopplicht in Trümmer gegangen.
Der Wagen war verschwunden.
Und die Kassette dazu!
***
Ich holte tief Luft und versuchte die Enttäuschung zu verkraften, die mich mit der Wucht eines Faustschlages getroffen hatte.
In diesen Sekunden der Bitterkeit ließ meine Aufmerksamkeit ein wenig nach. Sie genügten meinen Gegnern, um in Aktion zu treten.
Hinter mir regte sich etwas. Die Bewegung wurde durch kein wahrnehmbares Geräusch angezeigt, ich erfaßte sie rein intuitiv. Ich wollte
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