Jerry Cotton - 0517 - Am Broadway sind die Naechte heiss
Polizeirevier. Ein Patrolman des Reviers hatte den flüchtigen Gerry Flint gesehen.
Flint war in einem Kino an der Lexington Avenue verschwunden. Der Streifenwagen hatte sofort Verstärkung angefordert. Man hatte alle Ausgänge des Kinos besetzt und dann das Publikum kontrolliert.
Gerry Flint war nicht darunter gewesen.
»Er muß noch vor dem Eintreffen der Verstärkung durch einen Seitenausgang verschwunden sein«, meinte der Sergeant.
»Wie heißt das Kino?«
»Es handelt sich um das Trans-Lux, Sir.«
Ich bedankte mich und legte auf. Ich lehnte mich zurück. Gerry Flint schien eine Vorliebe für das Trans-Lux zu haben. Ich erinnerte mich, zwei abgerissene Tickets dieses Theaters in seiner Brieftasche gefunden zu haben.
Ich telefonierte mit dem Archiv und bat um eine Liste mit den Namen der Firmen, die Henry Porter gehörten oder an denen er finanziell beteiligt war. Fünf Minuten später lag die Liste auf meinem Tisch. Sie enthielt eine [Menge bekannter und renommierter Namen. Ich war nicht überrascht, als ich am Ende dieser Liste den Namen Trans-Lux las.
Ich ließ Rita Colby zurück in die Zelle des Untersuchungsgefängnisses bringen und beschloß, mir ein paar schöne Stunden zu machen.
Ich ging ins Kino.
Die letzte Vorstellung im Trans-Lux hatte schon begonnen.
Ich hatte einen Platz in der sechsten Reihe.
Zwischen dem Vor- und dem Hauptfilm wurden die üblichen Werbedias gezeigt. Dazu spielte die Kinoorgel. Das Trans-Lux hatte eine der größten und bekanntesten Hammondorgeln der Stadt. Der Organist war ein Meister seines Fachs.
Ich konnte' ihn bei seinem Spiel beobachten. Sein Kopf und die Schultern hoben sich deutlich vor dem Licht der kleinen Notlampen ab. Ich runzelte die Augenbrauen. Irgend etwas an diesem Kopf kam mir bekannt vor.
Ich hoffte, daß er einmal den Kopf zur Seite drehen und mir dabei sein Profil zeigen würde, aber ich wartete zunächst vergebens.
Mir fiel plötzlich einiges auf.
Die Bewegungen seiner Schultern und Hände schienen mir nicht im Einklang mit den Klangfolgen zu stehen, die er dem Instrument entlockte.
Endlich drehte er kurz den Kopf zur Seite. Mich traf es wie ein Schlag.
Ich hatte Sammy, den Schläger, entdeckt!
Ich war baff. Sammy, der Schläger, war so ungefähr der letzte, dem ich eine so imponierende musikalische Begabung zugetraut hätte.
Dann meldeten sich plötzlich wieder die Zweifel zu Wort. Die eigenartigen, nicht zum Musikinstrument passenden Schulterbewegungen. Ich wußte plötzlich, was es war. Er markierte das Spiel nur!
Vermutlich lief irgendwo ein Stereoband mit einer Originalaufnahme über eine hochqualifizierte Verstärkeranlage; auf diese Weise wurde die Illusion eines perfekt gebotenen Orgelvortrages erzeugt.
Ich verließ meinen Platz und setzte mich an das äußerste Ende der Sesselreihe. Die Werbedias wurden knapp fünf Minuten lang gezeigt. Dann kam der Hauptfilm. Das Notlämpchen verlosch. Ich verließ den Kinosaal und betrat das Foyer. Eine schmale Tür mit dem Aufdruck »Kein Zutritt für Unbefugte« führte zur Bühne. Ich wartete davor. Als Sammy nicht auftauchte, ging ich die wenigen Stufen zur Bühnentür hinauf und drückte die Türklinke. Sie gab nicht nach. Ich machte kehrt. Eine brünette, noch sehr junge Platzanweiserin musterte mich verwundert.
»Ist die Tür immer verschlossen?« erkundigte ich mich.
»Ja«, antwortete sie. »Zur Bühne gibt es nur einen Zugang. Sie müssen außen herumgehen!«
Ich befolgte die Aufforderung.
Durch eine dunkle Gasse gelangte ich an den Bühneneingang. Ich öffnete die Tür. Gleich hinter der Tür saß ein mittelgroßer kräftiger Mann. Er las in einer Zeitung, die er zu Boden sinken ließ, als ich eintrat. Ich erlebte meine zweite Überraschung. Ich hatte den Mann schon einmal gesehen. In der 77. Straße. Es war einer der Mörder von Frank Marvin.
Ich wußte nicht, ob er mich erkannte. »Sie wünschen?« fragte er.
»Ich möchte zu Sammy!«
»Sind Sie bestellt?«
»Wäre ich sonst hier?«
Er schlug plötzlich zu. Hart und scheinbar völlig unmotiviert. Ich riß den Kopf zur Seite. Seine Linke schoß ins Leere. Ich konterte blitzschnell. Ich legte in meine Haken und Schwinger alles hinein, was ich geben konnte. Mein Gegner schluckte davon eine ganze Menge; nach dem fünften oder sechsten Treffer ging er plötzlich zu Boden.
Er wälzte sich auf den Bauch und streckte die Arme aus. Er schien nicht die Absicht zu haben, sich innerhalb der nächsten ein oder zwei Minuten zu erheben.
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