Jerry Cotton - 0523 - Ich war das As der Unterwelt
verheiraten, damit sie hundertprozentig ja zu Ihren Geschäften sagt. Sie fürchteten, daß Nancy sich eines Tages voller Empörung und Abscheu von Ihnen abwendet — an dem Tag, da sie die volle Wahrheit erfährt.«
»Holden!«
»Sie würde das nicht können, wenn sie mit einem Mann verheiratet ist, der genau denselben Beruf hat wie Sie!« ‘ »Sie können das Wort Gangster meinetwegen benutzen«, knurrte Paladino. Er kaute heftig an seiner Zigarre.
»Dieser- Plan scheiterte dann«, sagte Holden. »Nancy lehnte Marvin Steele ab.«
»Und deshalb soll ich ihn umgebracht haben?«
»Ja — weil Sie sich das Scheitern Ihres Planes nicht eingestehen wollten. Das ist für mich der wahre Grund. Sie haben ein Leben lang über alles Macht gehabt; und bei Ihrer eigenen Tochter soll plötzlich damit Schluß sein. Das wollten Sie .nicht wahrhaben. Also setzten Sie den Heiratsplänen ein Ende — auf Ihre Weise.«
»Das klingt, als hätten Sie ein psychoanalytisches Lehrbuch gelesen«, brummte der Gangster.
»Habe ich auch.«
»Ich sage ja, Sie sind ein Bücherwurm, Holden. Nur — das Leben ist anders, als es in den Büchern steht. Wenn Sie mir gesagt hätten, daß ich Marvin Steele umgebracht hätte, um seine Bezirke einzukassieren, hätte ich das akzeptiert — auch wenn es nicht stimmt. Die Wahrheit ist, daß ich Marvin Steele nicht umgebracht habe.«
Holden grinste.
»Natürlich glaube ich Ihnen das! Schließlich zahlen Sie mir fünfzigtausend Dollar im Jahr.«
»Sie sind der einzige Mensch, der so mit mir reden darf«, brummte der Gangster.
»Was soll ich also tun?«
»Nichts«, sagte Paladino. »Wenn es soweit ist, kriegen Sie Ihre Weisungen. Man soll seinem Anwalt nie zuviel sagen, sonst hat er ein schlechtes Gewissen beim Plädoyer, und das beeinträchtigt seine Überzeugungskraft. Das Rezept stammt von Al Capone und hat sich immer bewährt.«
»Al Capone landete im Zuchthaus«, bemerkte Holden, »vielleicht ist das Rezept doch nicht ganz so gut.«
***
»Mir gefällt dieser Plan nicht, Jerry«, wandte Mr. High ein. »Ich finde, das Risiko ist einfach zu groß, und die Erfolgsaussichten sind minimal.«
Es war sieben Uhr morgens. Wir hatten uns im Büro von Mr. High im Hauptquartier des FBI versammelt. Draußen war es gerade hell geworden, ein nebliger Morgen lag über Manhattan. Unser Chef hatte wieder einmal die ganze Nacht durchgearbeitet. Dennoch merkte man ihm nichts davon an.
»Es wäre immerhin einen Versuch wert«, entgegnete ich. »Seit vielen Jahrein steht Tonv Paladino bei uns auf der schwarzen Liste. Niemals haben wir ihm etwas nachweisen können. Jetzt geht es um einen Gangstermord, bei dem man persönliche Motive voraussetzen kann und bei dem alle Spuren auf Paladino hinweisen.«
»Warum aber wollen Sie unbedingt in der Rolle von van Dyk in Massany auf tauchen?«
Mein Freund Phil gab die Antwort. »Wir haben van Dyk erst gestern geschnappt. Heute befindet er sich bereits auf dem Weg nach Los Angeles. Schließlich kam von dort der Fahndungsbefehl nach van Dyk. Dyk war erstens die rechte Hand von Marvin Steele, zweitens im bürgerlichen Beruf Reporter.«
»Und?«
»Wenn ich als van Dyk nach Massany komme«, erläuterte ich Mr. High Phils und meinen Plan, »kann Paladino auf zwei Dinge kommen: Entweder er wird mich als superneugierigen Reporter kaltstellen, oder er wird van Dyks Rolli' in Marvin Steeles Gang kennen und ebenfalls dementsprechende Schritte unternehmen.«
»Nach der Schießerei in dieser Nacht in der Haarnadelkurve wird Paladino annehmen, daß Jerry der Gangster van Dyk ist, schließlich greift ein normaler Reporter nicht sofort zum Revolver, wie wir es getan haben.«
Mr. High seufzte.
»Ich sehe schon, Sie haben sich die Geschichte in den Kopf gesetzt, Jerry. Also gut, ich bin einverstanden. Aber ich gebe Ihnen Phil als Rückendeckung mit. Wenn Sie sonst noch Hilfe brauchen, melden Sie sich.«
***
Der Geschäftsführer des Globe Club schoß heran und musterte den neuen Gast mit einem einzigen Blick. Dann wußte er alles, was ihn interessierte. Der junge Mann in dem offensichtlich selten getragenen Abendanzug wirkte unsicher und zugleich neugierig.
»Provinz«, entschied der Geschäftsführer. Solche Leute gaben manchmal gute Trinkgelder. Er setzte ein strahlendes Lächeln auf.
»Wie wär’s mit einem hübschen Tisch gleich vorn an der Bühne«, schlug er vor.
»Nein, danke«, sagte der junge Mann. »Ich suche etwas Ruhiges. Vielleicht da drüben in der
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