Jerry Cotton - 0523 - Ich war das As der Unterwelt
wir müssen andere Methoden anwenden«, sagte der Hagere. Er hob die Stimme: »Al!« rief er.
Im nächsten Augenblick wurde die Tür geöffnet, und zwei Männer kamen herein. Sie trugen beide etwas zu enge Anzüge, die sich unter den Achseln ausbeulten, und kauten Gummi. Die Hüte hatten sie in den Nacken geschoben.
»Nehmt ihn mit«, befahl der Hagere.
»Nein«, bat Mike verzweifelt, »das können Sie nicht tun.«
»Nicht aufregen!« grinste Al und ließ den Kaugummi einmal rund wandern. »Sie wollen doch nicht etwa, daß wir böse werden, Mister!«
»Oder womöglich grob«, ergänzte sein Kollege.
»Wir bemühen uns um gutes Benehmen«, sagte Al. »Also tun Sie das auch. Kommen Sie mit. Und keine Tricks!« Er wollte Mike am Arm fassen, aber der Reporter riß sich los. Seine Faust schoß vor und erwischte Al am Kinn. Der wich verblüfft zurück. Sein Kollege griff zur Schulterhalfter, aber im selben Moment hatte Mike ihn am Revers gepackt, drehte ihn um und schleuderte ihn gegen den Hageren. Der verlor das Gleichgewicht und taumelte rückwärts.
Mike setzte sich in Richtung auf die offene Tür in Bewegung, aber inzwischen hatte Al sich wieder gefaßt und verstellte ihm den Weg. Der Kaugummi wanderte noch immer durch seinen Mund, nur etwas langsamer.
Mike griff blitzschnell nach einem Stuhl und schleuderte ihn gegen Al. Der Gangster wich aus, Mike stürmte davon.
Draußen auf dem Gang prallte er gegen eine Gruppe Revuegirls, die gerade auf dem Weg zur Bühne waren. Die Girls kreischten auf, als Mike sich zwischen ihnen durchzwängte. Er rannte einen langen Gang hinunter und kam an eine Tür, die offen war. Dahinter führte eine eiserne Treppe nach unten.
Er hörte lautes Rufen hinter sich und hastete hinunter. Eine zweite Tür. Sie war verschlossen. Aber daneben war ein Fenster. Er rüttelte an dem Griff, bis er es aufbekam, und schwang sich hinaus.
Das Fenster führte auf den Hof. Hier parkten die Wagen der Gäste des Nachtlokals. Mike lief eilig zur Ausfahrt, aber auf halber Strecke entdeckte er seinen Wagen, den der Boy zuvor auf den Hof gefahren hatte.
Er blieb stehen. Hinter ihm war alles ruhig. Noch hatten die Gangster den Hof nicht erreicht.
Seine Hand fuhr in die Tasche, fand die Reserveschlüssel, die er immer bei sich hatte. Mit wenigen Sätzen war er beim Wagen. Riß die Tür auf. Erstarrte.
Er blickte in eine Revolvermündung.
Am Steuer des Wagens saß ein Mann im engsitzenden grauen Anzug, gummikauend, den Hut im Nacken, und blickte ihn träge an.
»Wo sind die anderen?« fragte er. Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht. »Oh, ich verstehe, du wolltest türmen, mein Junge, was für ein Einfall! Hast du noch immer nicht begriffen, daß wir Profis sind? Profis, Junge, knallharte Profis. Also nimm hübsch die Flossen hoch. Die anderen müssen gleich kommen. Dann machen wir zusammen eine kleine Fahrt.«
***
Ich betrat den Laden und lauschte auf das altmodische Glockenspiel, das durch die sich bewegende Tür in Gang gesetzt wurde. Hier in Massany lebte noch mancher alté’ Brauch.
Es war drei Uhr nachmittags, und außer mir war niemand im Laden. Ich sah mich um. Der Laden war eng und mit dunklem Holz ausgetäfelt. Auf hohen Regalen waren Lebensmittel aufgebaut. Erlesene Delikatessen waren dabei. Es war ein französisches Feinschmeckergeschäft, das von den Millionären lebte, die sich um Massany herum angesiedelt hatten. Der Laden wirkte so, als blicke er mit verachtungsvoll hochgezogenen Augenbrauen auf die modernen Supermärkte.
Nach ein paar Sekunden näherten sich Schritte, und ein gebückter kahlköpfiger Alter erschien. Im Gehen band er sich eine grüne Schürze um.
»Monsieur?« sagte er und sah mich an.
»Ich möchte ein paar Büchsen Krebsfleisch kaufen.«
»Wir haben verschiedene Sorten da. Französisches, russisches, kanadisches Krebsfleisch…«
»Nein«, sagte ich, »ich suche chilenisches Krebsfleisch.«
Der Alte zuckte zusammen.
»Monsieui’, in ganz Chile gibt es nur eine einzige Fabrik, die Krebsfleisch herstellt. Sie gehört einem Deutschen.«
»Sie sind ja hervorragend unterrichtet«, sagte ich.
»Das gehört zu meinem Beruf. Ich habe sehr anspruchsvolle Kunden. Ich bilde mir ein, eine Menge Waren zu führen, aber es kommen immer wieder Leute, die ganz ausgefallene Sachen wollen. Mit diesen Amerikanern ist es schlimmer als mit den Kunden, die ich früher in meinem Laden in Paris hatte. Und da war allererste Kundschaft, Monsieur. Ich lebte damals im VII.
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