Jerry Cotton - 0530 - Mein grausamster Partner
dem Restaurant klang Stimmengemurmel herauf. Dann schloß sich die Tür, und eisige Stille legte sich über das kleine Büro.
»Irma, zeig mir, wo Kider wohnt!«
Sie trat zum Schreibtisch, beugte sich über die Karte und deutete nach kurzem Suchen auf eine Stelle außerhalb von Meadville. Ich prägte sie mir ein. Dann faltete ich den Plan und schob ihn in die Taschen. Zu Fred sagte ich: »Wenn die Lumpen anrufen und nach mir fragen, erklärst du — mit der nötigen Wut — daß du mich ’rausgeschmissen hast. Denn schließlich hätte ich dir alles eingebrockt. Okay?«
»Was hast du vor?«
»Ich weiß es noch nicht genau. Jedenfalls werde ich nicht untätig herumsitzen.«
»Jerry, du bist Polizist. Du müßtest wissen — hier kann nur das FBI helfen.«
»Sehr richtig. Deswegen wird es Zeit, daß ich mich ,auf die Socken mache.« Ich nahm einen Bleistift aus der Federhalterschale und zog ein Blatt Papier zu mir heran. »Sollte ich bis morgen früh nicht zurück sein«, sagte ich, während ich schrieb, »dann rufst du diese Nummer an. Du verlangst Mr. John D. High, Special Agent in Charge des Federal Bureau of Investigation in New York. Erzähl ihm, was passiert ist — und der gesamte FBI-Apparat wird für euch arbeiten. Good luck.«
Ich legte den Zettel auf den Schreibtisch und ging zur Tür. Im Büro war es mäuschenstill. Bevor ich die Tür schloß, drehte ich mich noch einmal um. Irma und Fred starrten mir nach. Sie hatten begriffen. Aber sie waren zu verblüfft, um etwas zu sagen.
***
Schwarze Jeans, schwarzer Pullover, schwarze Windjacke, Mokassins auf dunklem Leder — ich kam mir vor wie ein moderner Zorro. Allerdings war ich nicht mit einer Bullpeitsche bewaffnet, sondern mit meinem 38er. Er steckte im Gürtel, und die Trommel drückte wie eine Faust gegen meinen Nabel. Eine Schachtel mit fünfzig Patronen hing wie ein Klumpen Blei in der rechten Hosentasche. Ich mußte den Gürtel verdammt eng schnallen, sonst hätte das Gewicht die Hose ’runtergezogen.
Es war Nacht. Der Regen hatte aufgehört. Das Gewitter wanderte westwärts, rumorte in der Ferne. Heißer Wind strich über das Land und trieb dunkle Wolken über den Himmel. Zwischen den dunstigen Rissen mit verwehten Rändern kam manchmal der Mond zum Vorschein. Er war voll, rund und buttergelb.
Wie flüssiges Silber fiel sein gleißen--des Licht auf dem Mississippi. Doch im nächsten Moment schloß sich die Wolkendecke, und es war finster.
Ich nahm nicht den Jaguar. Denn sollte ich zufällig Saul Endemit oder Fat Cat Myer begegnen, konnte es Komplikationen geben. Für das, was ich vorhatte, reichte Irmas Fahrzeug, ein älterer Chevrolet.
Ich stieg ein und fuhr nach Meadville. Die Straßen waren leer. Aber in den Cafés und Bars herrschte toller Betrieb. Die Leute hier liebten das Leben, und unter Nap Kiders Regie schien sich der kleine Ort in ein heimliches Miniatur-Las-Vegas zu verwandeln.
Der Chevrolet schnurrte durch die Straßen. Die Berge rückten näher. Ich erreichte die Ausfallstraße nach Westen. Die Gegend wurde einsam. Wald umschloß mich. Ich kam an zwei Kreuzungen vorbei. Weit konnte es nicht mehr sein. Ich kroch jetzt im Schrittempo dahin. Als ich einen morastigen Waldweg fand, lenkte ich den Wagen hinein. Unter den Bäumen ließ er sich leicht verstecken. Ich schaltete Licht und Motor aus, kurbelte die Scheiben hoch, schwang mich ins Freie und schloß den Wagen ab. Dann ging ich zur Straße zurück und marschierte weiter. Vermutlich hatte ich noch eine halbe Meile vor mir.
Mein Schritt war lautlos. Aber ich spürte jeden Stein durch die weichen Mokassin-Sohlen. Niemand begegnete mir. Um mich war schwarze Nacht. Ohne den Mond, der mir einige Male half, wäre ich sicher vom Weg abgekommen. Dann trat plötzlich der Wald auf beiden Seiten zurück. Vor mir weitete sich ein sichelförmiger Parkplatz. Dahinter lag Nap Kiders Landsitz.
In der Dunkelheit konnte ich nicht viel sehen. Aber Fred hatte mir die Örtlichkeiten geschildert. Der Besitz war viermal so groß wie ein Fußballfeld und mit einem mannshohen schmiedeeisernen Zaun umfriedigt.
Umgeben war das Grundstück von Nadelwald. Auf der Innenseite des Zauns wuchsen Fichten, Jasmin und Hagebuttensträucher. Sie verwehrten die Sicht auf die riesige Villa, vor der die mächtigen Ahornbäume in den Nachthimmel ragten. Ein getrimmter Rasen, weich und geschmeidig wie ein Teppich, nahm den Rest der Grundfläche ein. Das Schwimmbecken war 50 Yard lang, blau gekachelt und
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