Jerry Cotton - 0530 - Mein grausamster Partner
heizbar.
Ich sah mich um. Der Parkplatz war leer. Ein breites Tor stand einladend offen. Aber ich hütete mich, die Einfahrt zu benutzen. Ich schlich am Waldrand entlang, bis ich auf den Zaun stieß. Als sich der Mond wieder hinter den Wolken versteckte, schwang ich mich über die eisernen Spitzen. Drüben hatte ich weichen Rasen unter den Füßen und war nach wenigen Schritten zwischen den Jasminbüschen verschwunden.
Vorsichtig drückte ich die Zweige zur Seite. Der Blütenduft war betäubend. Hier im Süden ist die Natur im April schon weit.
Über mir breiteten mächtige Fichten wie ein Zeltdach die Zweige. Es war so dunkel, daß ich mich ganz auf meinen Tastsinn verlassen mußte. Durch den Grüngürtel bahnte ich mir leise den Weg. Jetzt federte der letzte Zweig in seine Lage zurück, und ich spürte die weite, leere Fläche vor mir. Sehen konnte ich sie nicht.
Ich kauerte mich zwischen zwei Hagebuttensträucher. Warten. Es dauerte Minuten, bis der Mond zum Vorschein kam. Er beleuchtete den Rasen und das große Haus. Es wirkte wie ausgestorben. Alle Fenster waren dunkel.
Als sich der Mond erneut versteckte, rannte ich los. Ungehindert erreichte ich die Villa. Sie war hell getüncht und solide wie eine Burg.
Ich preßte mich an die Wand. Mein Atem pfiff. Dieses Unternehmen — das wußte ich — konnte sich leicht in ein Himmelfahrtskommando verwandeln. Ob sich meine Vermutung bestätigte, war fraglich. Trotzdem hatte mich mein Instinkt hierhergeführt. Ich war überzeugt, Mabel in diesem Haus zu finden.
Lautlos schlich ich an der Mauer entlang. Die Garagen lagen auf der anderen Seite. Wenn sich der Mond zeigte, deckten mich hier nur die Schatten der Ahornbäume.
Ich huschte zur Hausecke. Als ich den Kopf vorschob, sah ich die kahle Rückseite des Gebäudes und im Hintergrund das Schwimmbecken. Leise plätscherte das Wasser. Wahrscheinlich war der Zu- bzw. Ablauf Tag und Nacht in Betrieb. Das Mondlicht verwandelte das Wasser in eine zartgekräuselte Silberfläche. In einer Ecke schwamm ein rötlicher Ball. Jetzt bewegte er sich und…
Es war kein Ball. Es war ein Kopf.
Langsam ließ ich mich hinter der Ecke auf die Knie fallen. An die Mauer gepreßt, konnte ich vom Becken nicht gesehen werden. Ich kniff die Augen zusammen und starrte hinüber. Die Entfernung betrug mindestens hundert Schritt. Einzelheiten konnte ich nicht erkennen. Aber ich sah deutlich, daß sich der Schwimmer bewegte. Mit kräftigen Stößen teilte er die Flut. Wellen wanderten zu den Rändern. Der Schwimmer entfernte sich, kraulte durch das Becken, kam zurück, war jetzt nicht mehr zu sehen, weil er sich im toten Winkel befand, und stieg im nächsten Moment an Land.
Mir blieb der Atem weg. Denn der Schwimmer war eine Frau.
Ihre Haut schimmerte im Mondlicht. Rot leuchtete schulterlanges Haar. Die Lady mußte jung sein. Zwar konnte ich ihr Gesicht nicht erkennen, aber alles andere sprach dafür. Bekleidet war sie reichlich, wie man sich zu bekleiden pflegt, wenn man in die Badewanne steigt.
Ich schmunzelte.
Die Lady lief über den Rasen zur Villa. Dann schoben sich Wolken vor die runde Himmelslaterne, und ich hörte nur noch das Tap-Tap nackter Füße. Der Schemen wanderte zu einer Hintertür. Leise quietschten die Angeln. Dann schnappte ein Schloß, und es wurde still bis auf das sanfte Rauschen in den Bäumen.
Das unbekümmerte Baden der jungen Dame ließ zwei Vermutungen zu: Entweder sie genierte sich grundsätzlich nicht. Oder sie war allein in der Villa.
Als ich die Runde ums Haus fortsetzte, hörte ich in der Ferne das stetige Summen eines starken Motors. Es klang nach einem 7-Liter-Wagen, der näher kam.
Ich machte kehrt und lief zur vorderen Hausecke. Von dort aus konnte ich die Front der Villa und den südlichen Teil des Grundstücks übersehen. Wie ein gigantischer grauer Wurm schlängelte sich die betonierte Einfahrt durch den Rasen und mündete auf einem halbrunden Platz vor dem Haus. Er drehte sich etwas zur gegenüberliegenden Seite, wo ich eine mächtige Garage entdeckte. Mindestens fünf große Wagen mußten darin Platz finden.
Licht schimmerte durch die Bäume am Tor. Das Summen wurde lauter. Deutlich konnte ich jetzt ein abgeblendetes Scheinwerferpaar erkennen. Der Wagen fuhr durch das Tor, kam die Einfahrt herauf und stoppte vor dem Haus, nahe dem Portal.
Alles weitere ging rasch. Scheinwerfer aus. Die Türen flogen auf. Vier Männer sprangen ins Freie. Zwei beugten sich in den Wagen hinein und zerrten ein
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