Jerry Cotton - 0530 - Mein grausamster Partner
langes Bündel heraus.
Der Mond leuchtete wieder, und ich sah, daß es sich bei dem Wagen um einen Thunderbird handelte, daß ich zwei der Männer kannte — nämlich Spencer und seinen süchtigen Kumpanen — und daß in dem Bündel, einem zusammengerollten Teppich, ein Mensch zu stecken schien.
Spencer und einer der beiden Unbekannten schulterten die Last. Dann verschwanden die vier im Haus.
Licht flammte auf, fiel durch die Glasscheiben des Portals ins Freie, zeichnete ein verzerrtes Rechteck auf den Boden.
Lautlos lief ich an der dunklen Front entlang. Im Wagen saß niemand mehr. Das sah ich. Also konnte ich etwas riskieren. Am Portal machte ich halt. Vorsichtig schob ich den Kopf um die Ecke. Ich blickte in eine große Halle. Im Hintergrund führte eine breite Treppe empor. Nach rechts und links zweigten Gänge ab. Unterhalb der Treppe war eine Tür geöffnet.
Ich konnte nur schräg hineinsehen, aber ich war überzeugt, daß dahinter die Kellertreppe lag. Meine Ahnung hatte nicht getrogen. Nap Kider war dreist genug, Mabel in sein Haus zu bringen.
Das breite Portal bestand aus zwei Flügeln. Der linke war verankert, der rechte nur angelehnt. Ich schob ihn ein Stück weiter auf. Die Scharniere verursachten kein Quietschen. Jetzt war der Spalt groß genug. Ich schlüpfte in die Halle, drückte den Flügel hinter mir zu, rannte auf leisen Sohlen nach links und erreichte den dunklen Gang, der sich durch den ganzen Westtrakt zü ziehen schien. Schummriges Licht reichte von der Halle in den Gang. Ich sah hohe Türen zu beiden Seiten. Sie waren weiß gelackt, die Klinken — klobig und verschnörkelt — stellten Löwenund Elefantenköpfe dar.
Ich zog mich etwa zehn Schritt in den Gang zurück. Hier war, es dunkel. Von der Halle aus konnte mich niemand entdecken. Ein schwerer, muffig riechender Sbhrank lehnte sich an die Wand. Hinter ihm konnte ich mich verstecken, für den Fall, daß jemand auf die Idee kam, im Gang das Licht anzuknipsen.
Ich preßte mich an die Wand. Sie fühlte sich rauh an. Als ich mit dem Nagel des Zeigefingers über die Oberfläche fuhr, merkte ich, daß sie gekalkt war. Der Boden bestand aus winzigen Kacheln. Fast fugenlos paßten sie aneinander. Ich wartete und lauschte.
Wenn plötzlich jemand aus einem der Zimmer kam, war es schlecht um mich bestellt. Aber hinter den Türen war kein Geräusch.
Etwa zwei Minuten vergingen. Dann hörte ich einen leichten schnellen Schritt oben auf der Treppe.
Ich hielt den Atem an. Die Schritte kamen die Treppe herab. Das war kein Mann.
Ich beugte mich vor, spähte am Schrank vorbei, sah einen Ausschnitt der Halle, die unterste Stufe der Treppe und die Frau, die in dieser Sekunde in mein Blickfeld trat. Sofort erkannte ich sie wieder. Zwar war das brandrote Haar jetzt naß und deshalb dunkler, trotzdem leuchtete es wie Kupfer. Das schöne Gesicht war rassig und frech, die Gestalt groß, schmal und bestens proportioniert. Was sich unter dem grünen Samtkleid verbarg, kannte ich. Denn die nächtliche Schwimmerin und die Lady aus dem blauen Alfa-Cabriolet, dem ich an Jerry Woods Tankstelle das Benzin verweigert hatte, waren eine Person.
Ich war ein bißchen überrascht. Was hatte die Lady hier zu suchen? Warum war sie zur Tatzeit an der Tankstelle aufgetaucht? Zufall? Wahrscheinlich. Denn ich konnte mir nicht vorstellen, daß sie etwas mit Saul Endemit und Fat Cat Myer zu tun hatte.
Die Lady ging durch die Halle. Hinschreiten wäre das richtige Wort, denn sie hob die Knie etwas an, schob die langen Oberschenkel vor und schaukelte sich nur dezent in den Hüften.
Ich sah ihr nach, bis sie in dem gegenüberliegenden Gang verschwand. Sie knipste kein Licht an, wurde von der Dunkelheit verschluckt, tappte auf flachen Sandalen weiter, blieb dann stehen, öffnete fast lautlos eine Tür, trat in einen dunklen Raum und ließ die Tür ins Schloß fallen. Danach hörte ich nichts mehr.
Drei Minuten später kamen die Ganoven. Der Süchtige trug eine Bandage am Handgelenk. Spencer war grau im Gesicht. Die beiden anderen gehörten zur Sorte billigster Schläger. Ihre Gesichter waren zerbeult, ausdruckslos und gemein. Alle vier stiegen die Treppe empor. Ich hörte, wie sich die schweren Schritte entfernten. Türen klappten, dann herrschte Ruhe im Haus.
Noch brannte das Licht in der Halle. Ich zögerte nicht. Mit dem 38er in der Faust trabte ich zur Kellertür. Als ich die Halle durchquerte, fühlte ich mich wie eine Tontaube vor den Mündungen mehrerer
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