Jerry Cotton - 0545 - Im Park der toten Liebespaare
haben offenbar eine verdammt gute Nase. Innerhalb weniger Stunden sind Sie bis in die Höhle des Löwen gekommen.«
»Wo sind wir denn hier überhaupt?« fragte er. »Ich habe keine Ahnung. Zuletzt war ich in dem Lokal, wo gestern abend Julia Jackson sich die Band von Rocky angehört hat. Ist das hier der Keller des Lokals?«
»Nein. Das ist der Keller von Eddy Marshalls Bandenhauptquartier.«
Die Haussuchung wurde mit aller gebotenen Gründlichkeit ausgeführt. Jedes Stück Papier, das Aufschluß über Marshalls illegale Geschäfte geben konnte, wurde sichergestellt. Im Keller fanden wir ein mißhandeltes Mädchen. Es stellte sich heraus, das sie zu den Prostituierten gehörte, die für Marshall arbeiteten. Weil irgend jemand von ihr behauptet hatte, sie liefere ihre Einnahmen nicht ehrlich ab, hatte Marshall sie mißhandeln lassen. Sie packte schonungslos aus. Zusammen mit den Aussagen von Hellen Oaks ergab sich allmählich ein Bild, das immer klarere Konturen bekam. Im Erdgeschoß und in den beiden' oberen Etagen waren insgesamt sechzehn Männer festgenommen worden. Unsere Kollegen im Distriktgebäude spielten die Kerle bei der Vernehmung geschickt gegeneinander aus. Am Abend waren wir soweit, daß wir sagen konnten, Eddy Marshall könne wegen mehrerer Delikte überführt werden. Eine entsprechende Verlautbarung ging von unserer Pressestelle an die Nachrichtenagenturen, die sie ihrerseits an die Redaktionen von Fernseh- und Rundfunksendern und Zeitungen weiterleiteten.
Daß die Ermordung von Julia Jackson auf Marshalls Konto kam, war nicht mehr zu bezweifeln. Im Keller hatten wir die Mordwaffe gefunden. Eine Analyse der Blut- und Haarspuren erbrachte den Beweis, wozu das Beil verwendet worden war. Über das Motiv schwieg sich Marshall aus, aber es lag auf der Hand: Rache hatte ihn dazu getrieben.
Marshalls Umtriebe im Künstlergeschäft wurden ebenfalls aufgedeckt. Er hatte allen Ernstes geglaubt, er könne sich mit Gewalt die Alleinvertretungsrechte aller namhaften Bühnen-, Film- und Fernsehstars sichern.
Während die Vernehmungen andauerten, machten Phil und ich eine kleine Pause, nachdem wir die Aussagen einer Prostituierten zu Protokoll genommen hatten. Wir waren rechtschaffen müde und abgespannt. In der letzten Nacht waren wir spät ins Bett gekommen, am Morgen hatten wir wegen der Ermordung von Julia Jackson schon in aller Herrgottsfrühe wieder herausgemußt, und jetzt saß uns die Erschöpfung wie flüssiges PI ei in den Gliedern.
Aber da war noch etwas anderes. Ich rührte in meiner Kaffeetasse und brütete vor mich hin.
»Ist was?« fragte Phil, als er meinen abwesenden Blick bemerkte.
»Allerdings«, brummte ich. »Wir sind ausgezogen, die Liebespaarmörder zu finden. Statt dessen haben wir Eddy Marshall und seine Organisation ausgehoben.«
»Das ist immerhin etwas«, sagte Phil. »Sicher«, gab ich zu. »Nur klärt es die Liebespaarmorde nicht, mein Lieber. Oder glaubst du, die vorausgegangenen Morde gehen auf Marshalls Konto?«
Phil dachte einen Augenblick nach, dann schüttelte er den Kopf.
»Nein. Dafür gibt es weder einen Anhaltspunkt noch ein denkbares Motiv. Marshall läßt doch nicht aus purem Jux Leute ermorden.«
»Bestimmt nicht. Also stehen wir wieder da, wo wir gestern abend aufgehört haben. Und dabei…«
Ich brach ab und zermarterte mir den Kopf. Irgend etwas hatte ich übersehen, die ganze Zeit schon, aber was?
»Sprich dich aus!« riet Phil.
Ich zuckte mit den Achseln.
»Es gibt nichts zu sagen, weil ich nicht weiß, was eigentlich hinten in meinem Gehirn los ist. Den ganzen Tag schon habe ich das Gefühl, etwas Wichtiges übersehen oder vergessen zu haben. Aber ich komme und komme nicht darauf, was es sein könnte. Es ist wie verhext.«
Phil holte uns noch einmal zwei Becher Kaffee von der Theke in unserer Kantine. Außer uns beiden war im Augenblick niemand weiter hier. Im ganzen Distriktgebäude war man mit den Vernehmungen der Leute beschäftigt, die zusammen mit Eddy Marshall fest-, genommen worden waren. Und alle paar Minuten verließen ein paar G-men das Haus mit einer Adresse, die sie gerade bei einer Vernehmung erhalten hatten, und schritten zu neuen Festnahmen. Ich hatte Kopfschmerzen, und ich war an einem Punkt angelangt, wo es sinnlos ist, weiter arbeiten zu wollen.
»Wo steht eigentlich, daß ein G-man bereit sein muß, zu verhungern?« knurrte ich. »Komm, Phil. Wir holen jetzt erst einmal die versäumten Mahlzeiten dieses Tages nach. Ich habe schon
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