Jerry Cotton - 0547 - Der Wuerger aus der Todeszelle
Robbins. »Ein zweiter Posten steht vor der Tür. Dieser Posten darf sich nicht ohne besondere Erlaubnis Von seinem Platz entfernen. Es genügt also, wenn wir es schaffen, den Innenposten für wenige Minuten abzuziehen. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, daß Sie einen plötzlichen Schwächeanfall markieren. Das wird den Posten veranlassen, einen Arzt herbeizuholen.«
»Sie vergessen, daß die Besucherzelle ein Telefon hat. Der Posten kann den Arzt rufen, ohne die Zelle verlassen zu müssen.«
»Das war mir nicht bekannt«, meinte Robbins enttäuscht. »Haben Sie unter dem Zuchthauspersonal einen Vertrauten - irgendeinen Mann, der bestechlich ist und der den Apparat lahmlegen könnte?«
»Im Todeshaus sitzen nur absolut zuverlässige Beamte«, sagte Monelli.
»Es muß uns gelingen, das Telefon lahmzulegen!« murmelte Robbins.
»Vielleicht läßt sich das machen«, überlegte Monelli. »Aber wie soll es dann weitergehen? Setzen wir einmal den Fall, es würde gelingen, den Posten für drei oder vier Minuten aus der Besucherzelle zu locken. Nehmen wir weiter an, daß uns genügend Zeit bliebe, die Klamotten auszutauschen. Ich würde, mit anderen Worten, in Ihren Anzug und den Mantel schlüpfen, die Brille abnehmen und Ihre Perücke aufsetzen. Okay, aber dann käme der Arzt - und der kennt mich genau. Dem würde sofort auffallen, daß ein Fremder in der Gefangenenkluft steckt.«
»Bis dahin müßten Sie schon wieder auf den Beinen sein - äh, natürlich nicht Sie, sondern ich.«
»Er würde trotzdem eine Untersuchung vornehmen«, sagte Monelli düster. Dann stieß er plötzlich einen dünnen Pfiff aus. Ihm war ein Gedanke gekommen. Der Posten warf den beiden Männern einen scharfen mißtrauischen Blick zu. Es paßte ihm nicht, daß der Anwalt und der Gefangene so leise und für ihn unverständlich miteinander sprachen. Monelli begann sofort von seinem Testament zu reden. Nach wenigen Minuten senkte er die Stimme. »Jeden Samstag hat der Doktor seinen freien Tag. Dann wird er von einem jungen Assistenzarzt vertreten. Der kennt mich nur dem Namen nach. Es müßte also an einem Samstag geschehen!«
Robbins nickte. »Damit wäre noch nicht das Telefonproblem gelöst«, meinte er bedrückt.
»Die Kabel gehen nach draußen«, sagte Monelli, dessen Wangen sich allmählich vor innerer Erregung röteten, »aber die sogenannten Hausanschlüsse sind bestimmt innerhalb des Zuchthausgeländes verlegt. Gehen Sie zu Eddie Lang, der wird die Sache schon schaukeln. Eddie ist auf solche Sachen spezialisiert. Er wird einen Burschen der Bell Telephone Company bestechen oder einen anderen Weg finden, um innerhalb des Zuchthauses eine Reparatur vorzutäuschen. Für einen bestimmten, vorher genau festzulegenden Zeitraum wird Eddies Mann die Verbindung unterbrechen. Eddie wohnt in Brooklyn, Richmond Street 118. Erklären Sie ihm die Sache, aber vermeiden Sie es, ihm meinen Namen zu nennen - er könnte sonst auf die Idee kommen, überhöhte Forderungen zu stellen. Bieten Sie ihm fünf große Scheine - dafür kann er auch den Telefonfritzen bezahlen.«
»Gut - die Geschichte kann also in vier Tagen steigen, am nächsten Samstag.«
»Falls es bis dahin nicht schon zu spät ist!« meinte Monelli und betrachtete Robbins aus schmalen verkniffenen Augen. »Und was verlangen Sie dafür?«
Mark Robbins lächelte dünn und bitter. »Eine Million Dollar«, sagte er. »Unter dem ist es nicht zu machen.«
***
16. Juni. 2.10 Uhr nachmittags: Bar-' bara Monelli zuckte zusammen, als es an der Wohnungstür klingelte. Seitdem Hank in der Todeszelle saß, erschreckte sie jedes Klingelgeräusch. Am schlimmsten war es mit dem Telefon. Barbara wartete bangen Herzens auf die Nachricht von Hanks Ende. Sie hatte gute Gründe, sich davor zu fürchten. Es ging ihr dabei nicht um Hanks Schicksal. Sie hatte ihn nie geliebt und war im Grund recht froh, jetzt frei zu sein - aber es gab noch andere Ursachen für ihre Ängste.
Barbara warf einen letzten Blick in den ovalen goldgerahmten Barockspiegel ihres Ankleidezimmers. Sie stellte fest, daß sie mit sich zufrieden sein durfte. Das leicht toupierte Blondhaar mit dem Weizenschimmer umrahmte ein sehr hübsches Gesicht mit großen, schmachtenden Augen und weichen, vollen Lippen. Barbara war 25 Jahre alt. Sie hatte mit 17 zum erstenmal geheiratet - ein Millionär hatte sie aus dem Schnellrestaurant geholt, wo sie als Serviererin gearbeitet hatte.
Barbara hatte eine großzügige Abfindung erhalten. Nach
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