Jerry Cotton - 0547 - Der Wuerger aus der Todeszelle
meinen Taschenspiegel vor den geöffneten Mund der jungen Frau hielt, und registrierte erleichtert einen hauchdünnen Feuchtigkeitsniederschlag.
Barbara Monelli war nicht nur am Kopf verletzt worden. Ihr rechter Arm sah so aus, als sei er ausgekugelt. Die Kopfwunde rührte offenbar von einem scharfkantigen Gegenstand her. Rote Druckstellen an Barbara Monellis Hals bewiesen, daß der Täter sie auch gewürgt hatte.
Der Täter! Es lag nahe, Tony Carter das Verbrechen anzukreiden, und ich bezweifelte nicht, daß er dafür in Frage kam, aber ich wußte auch, wie schwierig es sein würde, ihn zu überführen. Er war ein Meister der Lüge, dem es nichts ausmachen würde, am Tatort gesehen worden zu sein. Er würde einfach behaupten, daß es seine Absicht gewesen sei, die junge Frau zu besuchen, daß sie aber leider auf sein Klingeln nicht die Tür geöffnet habe.
Der Hausmeister kam aus dem Bad. Er sah kalkweiß aus und vermied es, die junge Frau anzusehen. »Ist sie - ist sie tot?« stammelte er heiser.
Ich erhob mich. »Nein, vielleicht kommt sie durch. Sie atmet noch, allerdings nur schwach.«
Ich sah mir die übrigen Räume der Wohnung an. Offenstehende Schränke, herausgerissene Schubladen und über den Boden verstreute Dinge boten das gleiche Bild der Verwüstung wie im Wohnzimmer.
Der Arzt und Lieutenant Griffiths Team trafen etwa 15 Minuten nach meinem Anruf ein. Sie machten sich sofort an die Arbeit, während ich dem Lieutenant erklärte, daß ich Tony Carter zufällig beim Verlassen des Hauses gesehen hatte.
»Er hat also das Marihuana gesucht«, meinte Griffith und steckte sich eine Zigarette an. »Wir werden bald wissen, ob er es gefunden hat.«
***
Barbara Monelli erhielt eine Bluttransfusion. Am Abend dieses 16. Juni war sie wieder bei vollem Bewußtsein, aber der Arzt gab nur zögernd seine Zustimmung zu einer Vernehmung. »Mrs. Monelli hat eine Schädelfraktur und steht noch unter den Nachwirkungen eines schweren Schocks«, teilte er Lieutenant Griffith und mir mit. »Bitte, richten Sie sich danach, meine Herren!« Der Lieutenant und ich betraten das Krankenzimmer. Mrs. Monelli trug einen Kopfverband, der ihr Gesicht seltsam rein und transparent erscheinen ließ. Sie machte einen ruhigen Eindruck und lächelte uns scheu entgegen.
Da sich meine Rolle erledigt hatte, stellte ich mich unter meinem richtigen Namen vor. »Das ist Lieutenant Griffith von der Mordkommission«, fuhr ich fort. »Wir würden gern einige Fragen an Sie richten - vorausgesetzt, daß Sie sich kräftig genug fühlen, sie uns zu beantworten.«
Barbara Monellis Hände glitten unruhig über die Bettdecke. Ihre Stimme war wider Erwarten klar und fest, als sie sagte: »Bitte, meine Herren! Ich fürchte allerdings, ich werde Ihnen nicht helfen können - ich kenne den Mann nicht, der in mein Apartment eingedrungen ist.«
»Warum haben Sie ihn hereingelassen?« fragte Griffith.
»Das habe ich nicht getan, Sir. Er hat mich zurückgedrängt und die Tür hinter sich zugeworfen. Ich war ihm wehrlos ausgeliefert.«
»Was wollte er von Ihnen?« bohrte Griffith weiter.
»Geld natürlich!« sagte die junge Frau und hielt dem scharfen Blick des Lieutenants ruhig stand. »Ich sagte ihm, daß ich nichts im Hause hätte, aber das kaufte er mir leider nicht ab. Er würgte und schlug mich, bis ich ohnmächtig zusammenbrach. Mehr kann ich dazu nicht sagen.« Ich holte drei Fotos aus meiner Brieftasche. Eines davon zeigte Tony Carter. Die Aufnahme war ausgezeichnet gelungen und ganz unverwechselbar. Die anderen Fotos stellten New Yorker Gangster dar, die sich zur Zeit in Haft befanden und für das Verbrechen nicht in Frage kamen.
»Bitte, sehen Sie sich diese Fotos einmal an!« bat ich Barbara Monelli. »Einer dieser Leute ist vermutlich der Mann, der Sie überfallen hat.«
Sie nahm die Fotos entgegen. Ich beobachtete sie genau, als sie die Bilder musterte. »Der hier!« sagte sie und hielt mir Carters Bild entgegen. »Wer ist das?«
Ich hütete mich, einen Namen zu nennen, und fragte: »Sie erkennen ihn als den Täter wieder?«
»Das habe ich nicht gesagt. Aber ich kenne ihn. Jedenfalls kommen mir seine Züge vertraut vor. Kann es sein, daß er mit meinem Mann befreundet war? Ich habe das Gesicht schon einmal gesehen, aber im Augenblick kann ich nicht sagen, wo und wann das gewesen sein könnte.«
»Er ist nicht mit dem Mann identisch, der Sie heute überfiel?« fragte ich.
»Nein«, sagte sie und gab mir die Fotos zurück. »Die anderen
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