Jerry Cotton - 0552 - Zur Hochzeit eine Leiche
Alibis beschwören. Und wahrscheinlich haben sie sogar ein paar Figuren in der Reservekiste, die hier nicht mit dabeiwaren, die aber den Beteiligten noch zusätzlich die Alibis bestätigen. So ein Lügengebäude kann man nur mit starken, unwiderlegbaren Zeugen erschüttern. Sie sind der einzige Zeuge, dessen Namen das Mädchen kertnt. Sie müßten aber ein paar von den anderen Leuten kennen, weil Sie doch oft hier verkehren. Wenn Sie uns weitere Namen nennen, können wir die Gangster suchen, verhaften und unter Anklage stellen. Verstehen Sie däs? Wir brauchen Ihre Mitarbeit, Mister, weil wir sonst so gut wie nichts unternehmen können. Geht das in Ihren Kopf?«
Bornholm blickte noch immer auf seine Schuhe. »Ich würde Ihnen ja gerne helfen«, versicherte er nicht sehr glaubwürdig, »aber ich kann es nicht, Captain. Ich war nicht hier.«
Hywood lief rot an. Aber obwohl er vor Wut zitterte, zwang er sich noch, beherrscht zu bleiben. »Da draußen, Mister«, sagte er grollend, »da draußen liegt ein Mann, der in die Staaten kam, weil er hier auf Frieden und Freiheit hoffte. Ich weiß nicht, warum er seine Heimat verlassen mußte, aber ich weiß, daß er hier geschuftet hat wie ein Ackergaul, nur um sich dieses nette kleine Lokal kaufen zu können. Wer weiß, wie viele Jahre Arbeit es ihn gekostet hat. Jetzt haben es ihm die Gangster demoliert. Aus Gram und Verzweiflung hat er sich aufgehängt. Läßt Sie das kalt? Berührt Sie das überhaupt nicht?« Bornholm starrte auf seine Schuhe. Hywood schwieg ein paar Minuten lang. Dann legte er seine Pranke auf Bornholms linke Schulter und drehte ihn um. »Hauen Sie ab«, knurrte er. »Hauen Sie ab, bevor mir übel wird.«
Bornholm schlurfte zur Tür. Als er sie fast erreicht hatte, rief der Captain: »Bornholm?«
Der Dicke drehte sich nur halb um.
»Vielleicht«, sagte Hywood düster, »vielleicht kreuzt die Bande morgen schon in Ihrer Wäscherei auf. Vielleicht demoliert sie Ihnen die Einrichtung, prügelt Ihre Frau krankenhausreif und kassiert in Zukunft wöchentlich die Hälfte Ihrer Einnahmen, bis Sie endgültig ruiniert sind. Und dann, Mister, wenn Sie keinen Ausweg mehr wissen und nach dem Revolver oder dem Strick greifen, dann denken Sie an Janos Pantern. Und an Ihre verfluchte, erbärmliche Feigheit in diesem Augenblick!«
***
Gegen zwei Uhr nachts fuhren Phil und ich mit den Kollegen aus Los Angeles zu deren Hotel. Wir verabschiedeten uns von ihnen, und ich holte vom Hotelparkplatz meinen roten Jaguar ab, den ich am frühen Abend dort abgestellt hatte, weil wir zu viert ja doch nicht in den kleinen Flitzer paßten. Ich brachte Phil bis zu der Ecke, wo wir uns immer trennen oder treffen, und fuhr anschließend selbst nach Hause.
Um neun Uhr früh trafen wir uns wieder und fuhren sofort hinauf in die Bronx, wo wir Ermittlungen in einer Sache anzustellen hatten, die unlautere Machenschaften beim Verkauf bundeseigener Grundstücke betraf. Damit hatten wir bis nach vier Uhr nachmittags zu tun. Im Office setzten wir uns an die Schreibtische und tippten sofort unsere Berichte. Als wir damit fertig waren, gingen wir in der Nähe des Distriktgebäudes essen. Kurz vor zehn kamen wir bei dem Hotel an, wo uns die Kollegen aus Kalifornien schon erwarteten. Ich fuhr den Jaguar wieder auf den Hotelparkplatz, und wir kletterten zu viert in ein Taxi.
»Also auf zu den Künstlern«, sagte Phil. »Haltet die Augen offen! Vielleicht entdeckt einer von euch zufällig einen kommenden Picasso, der jetzt noch für billiges Geld zu haben ist.«
»Gute Idee!« lobte Bill Holden und fuhr sich durch seine College-Boy-Frisur. »Ich wollte sowieso ein paar Tausender anlegen. Bei unseren üppigen Gehältern muß man doch sehen, wie man seinen Reichtum vernünftig unterbringt.«
»Uuuuh!« stöhnte Robert Stevens. »Laßt uns von was anderem reden als ausgerechnet von unseren Gehältern. Wohin fahren wir?«
»Zu ›King Tommy’s Club‹, wenn es euch recht ist«, sagte ich. »Der ist völlig ungewöhnlich fürs Village. Um so größer wird der Gegensatz zu den Künstlerkneipen erscheinen, die wir anschließend besuchen.«
»Raffiniert!« lobte Holden. »Und warum ist dieser Klub so ungewöhnlich?«
»Weil dort die Zeit stehengeblieben ist«, erklärte Phil. »Im allgemeinen ist das Künstlervölkchen ja immer ein bißchen voraus — in der Mode, im Denken, im Tanzen und was weiß ich wo noch. Bei Tommy ist es genau umgekehrt. Wenn die Leute dort nicht Kleidung aus unseren Tagen
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