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Jerry Cotton - 0556 - Das Revolver-Quintett

Jerry Cotton - 0556 - Das Revolver-Quintett

Titel: Jerry Cotton - 0556 - Das Revolver-Quintett Kostenlos Bücher Online Lesen
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schluckte, räusperte sich und marschierte entschlossen zum Telefon. Ich sah ihm vom Flur her zu, wie er den Hörer abhob. Als er »Cotton« sagte, grinste ich. Wirklich, er machte seine Sache nicht übel.
    Ein paar Sekunden lauschte er mit gerunzelter Stirn auf das, was aus dem Hörer drang. Dann warf er mir einen hilfeheischenden Blick zu, während er fragte: »Wer ist da? Hallo! Warten Sie einen Augenblick! Mit wem spreche ich denn überhaupt? Miller?«
    Hiller! schoß es mir durch den Kopf. Mrs. Hiller!
    Ich war mit zwei Schritten neben ihm und riß ihm fast den Hörer aus der Hand.
    »Mrs. Hiller?« rief ich.
    »Ja! Bitte, kommen Sie schnell, Mr. Cotton! Sie haben uns entführt, George und mich! Bitte, helfen Sie uns. Ich…«
    »Wo sind Sie?« fiel ich ihr ins Wort. »Mrs. Hiller, ich brauche die Adresse! Wo sind Sie?«
    »Wir… nein! Hilfe! Hiiiiilfee! Mr. Co…«
    Ihre Stimme brach ab. Etwas polterte, mir war, als ob ich dazwischen, aber irgendwie entfernt, eine Kinderstimme hörte, und dann knackte es in der Leitung.
    ***
    Der Arzt vom Nachtdienst in der Unfallstation des Medical Center blickte flüchtig auf den Dienstausweis, den ihm der Beamte der Mordabteilung hingehalten hatte. Sie standen in einem weißgetünchten Flur mit weißen Kacheln auf dem Boden und an den Wänden bis etwa in Kopfhöhe. Genau über dem grauhaarigen Kopf des Arztes hing eine elektrische Uhr an der Wand, deren Zeiger sich auf die vierte Morgenstunde zubewegten. Ein schwacher, aber gleichwohl durchdringender Geruch von Äther, Desinfektionsmitteln und scharfriechenden Medikamenten hing in der Luft.
    »Vernehmungsfähig?« wiederholte der Arzt und wischte sich müde über die Stirn. »Lieber Gott, Mann, was erwarten Sie? Bewußtlos, schwere Quetschungen am Hals, vielleicht Zerstörung an den Kehlkopfknorpeln und der Luftröhre — wir warten im Augenblick das Ergebnis vom Röntgen ab. Dann werden wir operieren müssen. Und was dabei herauskommt…«
    Der Arzt zuckte mit den Achseln. »Also ist vorläufig nicht damit zu rechnen, daß wir mit dem Mann sprechen können?« fragte der Kriminalbeamte hartnäckig.
    »Vorläufig ganz bestimmt nicht«, sagte der Arzt entschieden.
    ***
    Irgendwann in der Nacht war die Müdigkeit stärker geworden als alle ihre Nervenanspannung. Mrs. Hiller hatte den Kopf sinken lassen und war an dem viereckigen Eßtisch eingeschlafen. Ihr Sohn lag schon seit ein paar Stunden auf den beiden Kissen, die man ihnen als einzige Bequemlichkeit für die Nacht zugestanden hatte. Sie befanden sich in einem kleinen Eßzimmer, in dem es außer dem Tisch mit seinen sechs Stühlen und einer niedrigen, modernen Anrichte aus Teakholz keine weiteren Möbel gab.
    Eine stabile Holztür war verschlossen worden. Die beiden Flügel einer mit Milchglas ausgelegten Schiebetür zum Wohnzimmer hin standen eine knappe Handbreit offen. Nebenan brannte eine Stehlampe, und in ihrem gelben Lichtschein konnte man die beiden grünen Stricke sehen, mit denen man die Handgriffe der Schiebetür zusammengebunden hatte, so daß man sie vom Eßzimmer her nicht weiter öffnen konnte.
    Lange Zeit hatte man nur die Atemzüge der erschöpften Frau und des auf dem Fußboden schlafenden Jungen gehört. Dann wurde der Junge unruhig und wälzte sich ein paarmal hin und her. Als er von den beiden Kissen herabrollte, wurde er wach. Er rieb sich die Augen, setzte sich auf und sah sich verständnislos um. Die fremde Umgebung verwirrte ihn. Bis er sich schließlich an das erinnerte, was geschehen war. Erschrocken sah er zu seiner Mutter auf.
    Mrs. Hiller schlief den tiefen Schlaf der Erschöpfung.
    George Hiller war zwölf Jahre alt und ein aufgeweckter Bursche. Die aufregenden Erlebnisse des Tages waren für ihn kaum mehr als ein großartiges Spiel gewesen, eine willkommene Abwechslung in dem tristen Einerlei der Schultage. Anfangs hatte er sich wohl ein wenig vor den fremden Männern gefürchtet, aber schließlich hatten sie ihm nicht ein einziges Mal wirklich etwas zuleide getan. Jetzt war es für ihn nur noch ein großartiges Abenteuer. Freilich auch ein Abenteuer, von dem er sich auf eine jungenhafte Weise herausgefordert fühlte. Als er jetzt wach wurde und nach einigem Sinnen in die Wirklichkeit zurückgefunden hatte, erhob er sich leise und schlich auf Zehenspitzen zu dem Türspalt in der Schiebetür. Vorsichtig schob er den Kopf vor und lugte durch den Spalt.
    Nebenan gab es ein großes Wohnzimmer. Die Stehlampe stand am Kopfende einer breiten Couch,

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