Jerry Cotton - 0556 - Das Revolver-Quintett
einen setzen, kleben Sie fest. Lora und ich haben beschlossen, uns eine neue Küche anzuschaffen. Wie Sie sehen, erreichen wir das ziemlich billig mit zwei Pinseln und ein paar Dosen Farbe. Stinkt entsetzlich, was? Wie wäre es mit einem Drink?«
»Nein, danke, Ben«, sagte ich und lauschte, ob in meiner Wohnung das Telefon anschlug. Bis jetzt war nichts zu hören. »Ich wollte mir nur eine Tasse Zucker leihen. Mrs. Hiller scheint vergessen zu haben, meinen Vorrat zu ergänzen.«
»Das wundert mich«, sagte Lora Verdley, während sie mit spitzen Fingern eine Tür ihres frisch lackierten Küchenschrankes noch ein wenig weiter auf zog. »Mrs. Hiller ist doch eine perfekte Hausfrau. Ich möchte soviel hausfrauliches Talent haben wie sie! Puh, wäre das ein Paradies hier für meinen Göttergatten. Aber ich kann machen, was ich will, meine Wohnung wirkt nie aufgeräumt, obgleich ich den ganzen Tag damit zubringe.«
»Liebling, wir haben vier Kinder«, sagte Ben Verdley fröhlich. »Und wenn ich es mir recht überlege, ist vier eigentlich eine Zahl, die…«
»Ben!« kreischte seine Frau. »Noch ein Wort, und Mr. Cotton kann sofort eine Amtshandlung vornehmen. Nämlich mich verhaften, weil ich meinen Mann mit der Bratpfanne erschlagen habe!«
»So sind die Frauen, heutzutage«, seufzte Ben und grinste mir verschwörerisch zu. »Lauter unterschwellige Aggressionstriebe! Zu unserer Zeit waren Frauen und Mädchen sanft wie die Blumen auf dem Felde, sagen Sie selbst, Jerry!«
Ich lauschte, aber es war noch immer nichts zu hören.
»Sanft ist gar kein Ausdruck«, bestätigte ich. »Sie waren das Zarteste, das man sich überhaupt vorstellen kann.«
Lora Verdley hatte meine Tasse mit Zucker gefüllt. Jetzt stemmte sie die Fäuste in ihre schlanke Taille und blitzte uns herausfordernd an. »Zu eurer Zeit? Lieber Gott, wann war denn das? Spätes achtzehntes Jahrhundert — oder? Die Frau von heute ist eine gleichberechtigte, mitverantwortliche Partnerin sowohl im privaten wie im gesellschaftlichen…«
»Stören Sie sich nicht daran, Jerry«, sagte Ben gelassen. »Lora hört vormittags immer den Schulfunk. Ansonsten ist sie ganz ungefährlich.«
»Die Bratpfanne wäre zu schade für dich«, meinte Lora und setzte sich wieder im Schneidersitz vor das Schränkchen, an dem sie herumgepinselt hatte. »Ich werde doch lieber den alten Feuerhaken nehmen.«
Ich grinste über die Kabbelei der beiden, während ich immer lauschte, ob in meiner Wohnung ein Klingeln laut wurde. Ich blieb absichtlich fast eine Viertelstunde bei dem beneidenswert glücklichen Paar, bevor ich mich bedankte und in meine Wohnung zurückkehrte. Ich kippte den Zucker aus der Tasse in den Schieber in meiner Küche, der noch gut halb voll war, dann begab ich mich ein Stockwerk höher und trug dieselbe Bitte wie eben bei den Verdleys vor. Nachdem ich dort ungefähr fünf Minuten gewesen war, hörte ich entfernt und schwach ein Klingeln im Haus.
Ich verabschiedete mich schnell und lief wieder hinab. Es war mein Telefon, das klingelte. Ein wenig atemlos hob ich ab und sagte meinen Namen.
»Dauert aber verdammt lange, bis man Sie an der Strippe hat!« knurrte die Männerstimme, die ich mit ihrem verstellten, unnatürlichen Klang nun schon ein paarmal gehört hatte. »Wo treiben Sie sich herum, Cotton?«
»Noch nie etwas von einem Badezimmer gehört?« brummte ich.
Am anderen Ende gab es ein kurzes Gelächter.
»Okay. Wir wollten nur kontrollieren, daß Sie da sind.«
Ich legte auf. Eines stand für mich fest. Wenn sie überhaupt einen Beobachtungsposten hatten, so konnte dieser Mann meine Wohnung zumindest nicht überblicken. Er schien nicht gesehen zu haben, daß ich sie nun schon zweimal verlassen hatte. Ich kippte auch die zweite Tasse Zucker aus und steckte mir eine Zigarette an. Wenn sie — etwa von der gegenüberliegenden Straßenseite aus — gesehen hätten, daß ich meine Wohnung verlassen hatte, hätten sie am Telefon wahrscheinlich danach gefragt. Also konnten sie keinen allzu guten Einblick in meine Wohnung haben. Damit hatte ich herausgefunden, was ich als erstes wissen wollte.
Nun ging es um ein Telefon. Meine Leitung war angezapft. Aber wie sah es mit den anderen Telefonen im Hause aus? Ich bin kein Fernsprechtechniker. Also konnte ich nicht wissen, ob sie etwa alle Leitungen im Hause gleichzeitig anzapfen konnten. Es kam auf einen Versuch an. Aber diesen Versuch konnte ich nur bei einer vertrauenswürdigen Person unternehmen. Denn
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