Jerry Cotton - 0568 - Die unheimliche Witwe
gekränkt.
»Kommen wir auf Ihren nächtlichen Stadionbesuch zurück«, änderte ich das Thema. »Welche Bewandtnis hatte es damit?«
»Berry rief mich heute nachmittag an und bat mich, ihn im Stadion aufzusuchen. Er gab mir genaue Anweisungen. Er nannte mir das Tor, das ich passieren sollte, und sagte, wo ich ihn finden könnte — im Heizungskeller. Dort hatte er sich vor der Polizei versteckt.«
»Wann erhielten Sie den Anruf?«
»Kurz nach fünf. Berry wollte mir erklären, warum er Paul töten mußte.«
»Hat er das gesagt?«
»Aber ja!« erwiderte Vicky. »Er bat mich fast schluchzend darum, ihm doch eine Chance zu geben und allein, ohne Polizei, zu kommen. Das habe ich getan.«
»Okay«, nickte ich, ohne mir meinen Ärger und meine Enttäuschung anmerken zu lassen. »Wie ging es weiter?«
»Als ich den Schrei hörte, kriegte ich es in dem Keller mit der Angst zu tun. Plötzlich tauchten Sie auf. Ich hatte keine Lust, von Ihnen in dem Keller gesehen zu werden, deshalb schloß ich Sie ein. Dann türmte ich.«
»Das ist ailes?«
»Mir reicht es. Als ich im Freien war, bin ich wie eine Verrückte zur Tremont Avenue gelaufen und dort in ein Taxi gesprungen. Der Fahrer muß geglaubt haben, daß ich nicht richtig ticke.«
Ich schwieg. Die junge Witwe nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette.
Dann verengten sich ihre Augen. »Sie glauben doch nicht etwa, daß ich Berry ermordet habe?« fragte sie halblaut. Ihre Augenbrauen hoben sich zu einem angespannten Bogen. »Natürlich«, fuhr sie bitter fort. »Ich weiß genau, was Sie jetzt denken. Berry tötete Paul, also tötete ich Berry. Ein Racheakt, nichts weiter! So einfach ist das für Sie, was?« Ich schüttelte den Kopf. »Sie waren es nicht. Jedenfalls nicht vorhin, als ich Ihnen ins Stadion folgte. Ich habe Berry angefaßt. Er war schon ein paar Stunden tot.«
»Aber wer hat es getan?«
»Jemand, der Berry am Sprechen hindern wollte, das ist doch klar.«
»Berry war harmlos, ich bleibe dabei. Aggressiv war er nur in seinem Käseblatt.«
»Wer finanzierte ihn?«
»Er hat mich nie in seine Karten gucken lassen«, behauptete Vicky.
»Haben Sie Sylvia im Stadiongebäude gesehen?«
»Sylvia Wynham? Nein. War sie es, die geschrien hatte?«
»Ja, sie kriegte einen Anfall, als sie den Toten entdeckte. Berry hat sie angeblich hinbestellt, um ihr Koks zu verkaufen.«
»Ich kenne das Mädchen nur flüchtig. Ich weiß, daß sie krampfhaft bemüht war, von den ,Killern akzeptiert zu werden. Im Grunde nahm sie keiner richtig ernst.«
»Sind Sie sicher, mit Berry telefoniert zu haben?«
»Ja, ich denke schon. Warum fragen Sie? Er war doch im Stadion. Er wollte mit mir sprechen. Irgend jemand hat ihn daran hindern wollen. Ich verstehe es nicht.«
»Ich verstehe es gut«, sagte ich und stand auf. »'Es wird Zeit, daß ich gehe.« Sie versuchte nicht, mich aufzuhalten. Drei Minuten später saß ich in meinem Ford. Als ich abfuhr, gab ich ordentlich Gas, um mich bemerkbar zu machen.
Ich rollte einmal um den Block und parkte dann im Schutz eines großen Lastzuges, überquerte zu Fuß die Fahrbahn und ging die Straße hinab. Gegenüber dem Gebäude 1131 Jackson Avenue stellte ich mich in einen dunklen Hauseingang. In Vickys Wohnung brannte noch immer Licht.
Ich schob die Hände in die Taschen des feuchten Mantels und wartete. Etwa eine Viertelstunde später wurde in Vickys Wohnung das Licht ausgeschaltet. Ich fragte mich, ob es Sinn hatte, daß ich mir hier die Nacht um die Ohren schlug. Plötzlich rollte eine riesige schwarze Limousine vor Vickys Haus, anscheinend ein Cadillac mit Sonderaufbau.
Ich trat einen halben Schritt zurück, um nicht gesehen zu werden. Ich zuckte zusammen, als ich gegen einen Mann stieß, der hinter mir stand.
Noch ehe ich Zeit zum Umdrehen fand, rammte mir der Unbekannte einen harten Gegenstand zwischen die Rückenwirbel. Mir war sofort klar, daß es sich um eine Pistole oder einen Revolver handelte.
»Immer hübsch mit der Ruhe, Partner«, zischte mir eine Männerstimme ins Ohr. »Oder legen Sie Wert darauf, daß ich Ihnen ein paar Knopflöcher ins Fell arbeite?«
Ich rührte mich nicht vom Fleck. t »Das ist brav«, lobte der Mann hinter mir. »Wenn du weiter so gut spurst, hast du eine Chance, das nächste Frühstück zu erleben.«
Ich starrte zur anderen Straßenseite hinüber. Aus dem schwarzen Wagen stieg ein Mann. Die chromblitzende Luxuskutsche hatte das Format eines Leichenwagens. Ein zweiter Mann blieb hinter dem
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